Der britische Abgang
12.02.2019
finanzwelt: Gibt es zur Abwicklung Alternativen? Kappes: Natürlich steht dem Versicherungsnehmer frei, seinen Vertrag einfach zu kündigen. Sollte die Police aber mit einer falschen Widerrufsbelehrung versehen sein, könnte er finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Daher empfiehlt sich immer zumindest eine Überprüfung seiner Optionen. Alternativ kann der Vertrag auch nach einer negativen Prüfung auf dem Zweitmarkt verkauft werden.
finanzwelt: Entstehen dem Vermittler oder seinem Kunden dadurch irgendwelche Nachteile? Kappes: Unsere Vertragsprüfungen und Analysen sind für den Kunden kostenfrei. Weiterhin zahlt der Kunde erst, wenn der gesamte Erstattungsbetrag auf dem Kundenkonto eingegangen ist. Wir haben ein rein erfolgsbasiertes Modell und übernehmen auch in einem negativen Ausgang eines Verfahrens alle anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten.
finanzwelt: Wie sieht die rechtliche Sicherheit bei einer Abwicklung aus? Kappes: Durch die Bearbeitung von etlichen Fällen haben wir Erfahrungswerte, welche Ansprüche bezüglich welcher Verträge sich gut oder schlecht durchsetzen lassen. Durch die laufende Beobachtung der Rechtsprechung können wir das Risiko, einen Prozess zu verlieren, gut einschätzen. Aber gerade bei laufenden Fällen muss man zweimal hinschauen. Es gibt Lebensversicherer mit guter Rendite. Weiterhin verliert der Kunde einen Risikoschutz und bei Verträgen vor 2004 sind die Auszahlungen kapitalertragssteuerbefreit. Nicht zu verachten sind auch Performanceschübe im letzten Drittel Laufzeitdrittel einer Police. Kurz gesagt: nicht jede Police sollte zurückabgewickelt werden, weil sie zum jetzigen Zeitpunkt einen augenscheinlich finanziellen Mehrertrag ausweist.
finanzwelt: Ab welchem LV-Volumen fangen Sie an, sprich ab wann lohnt es sich? Kappes: Ob es sich lohnt eine Lebensversicherung rückabzuwickeln, ist nicht per se an die Anspruchshöhe gebunden. Es geht immer um die Rückabwicklungswahrscheinlichkeit in Relation zur Anspruchshöhe auf Zeitachse X. Wenn ein Vertrag nur einen Vorteil von 1.000 Euro verspricht, aber in 24 Stunden ausgezahlt wird, dann wird dieser selbstverständlich verarbeitet. An dieser Stelle sei noch einmal gesagt, dass die Selektion der Policen im Vorfeld über den späteren Return entscheidet.
finanzwelt: Können auch nach Ablauf der LV Ansprüche geltend gemacht werden? Kappes: Es ist vollkommen egal, ob der Vertrag noch läuft, beitragsfrei gestellt ist oder gekündigt wurde. Auch der reguläre Ablauf eines Vertrages steht einem nachträglichen Widerspruch nicht entgegen.
finanzwelt: Aber es gibt Anbieter, die wickeln alles, egal ob britische oder deutsche LVs, nach Prüfung und der Einteilung in Kategorien ab. Wie stehen Sie dazu? Kappes: Ich kann hier nur über unsere Unternehmung und den Markt im Allgemeinen sprechen. Wir betreiben ein rein erfolgbasiertes Modell. Ansprüche werden hier nicht abgetreten und landen somit auch nicht in der Insolvenz. Wir beziehen zudem keine Zahlungen aus vorab vereinnahmten Rechtsschutzhonoraren halbseidener Anwaltskanzleien. Diese Kick-Back Regelungen sind meines Erachtens nach auch nicht rechtskonform. Die Rechtsschutzversicherer werden diese Praktiken hoffentlich bei der nächsten Welle, zum Beispiel VW-Abgasskandal, unterbinden.
finanzwelt: Das letzte Quartal war turbulent und erinnert an die Pleiten vieler Beteiligungshäuser die mehr schlecht als recht im LV- Sekundärmarkt unterwegs waren. Kappes: Ja, der Grund dafür ist, denke ich, eine falsche Markteinschätzung. Nicht jede Police ist rückabwickelbar und nicht jede rückabwickelbare Police generiert auch einen signifikanten Mehrertrag. Die zu anfangs versprochene, rein erfolgsbasierte Beteiligung hat sich als zu komplex und langwierig herausgestellt. Das hatte zur Folge, dass die Modelle in Pre-Cash Modelle umgewandelt wurden, in welchen der Kunde vor der Bearbeitung bereits kräftig zur Kasse gebeten wurde. Sobald er Rechtsschutz hat, wird eben diese zur Kasse gebeten. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung mit ungewissem Ausgang ist da eher anhängiges Übel. Rückabwicklung ist ein komplexes Dienstleistungs- und kein Vertriebsthema. Allein die Disziplinen Mathematik und Recht dürfen nicht in einen Topf mit Finanzabschlussgeschäft geworfen werden. Das hat rein gar nichts miteinander zu tun. Diese Entwicklungen haben ein schlechtes Licht auf die Branche geworfen. Das macht mich persönlich betroffen. (lvs)