„Das höchste Gut ist unsere Unabhängigkeit“

27.05.2020

Friedrich Huber (li.) und Michael Reuss (re.), Gründer und Geschäftsführer von Huber, Reuss & Kollegen / Fotos: © Huber, Reuss & Kollegen

Man hat den Eindruck, dass die Geldpolitik der Notenbanken zum dominierenden Faktor an den Börsen geworden ist. Was bedeutet dies für Ihre tägliche Arbeit?

Huber: Es stimmt, die Politik der Notenbanken hat einen größeren Einfluss auf die Märkte als dies vor 20 Jahren der Fall war. Für unsere Arbeit bedeutet dies, dass wir neben unseren fundamentalen Analysen hinsichtlich der Entwicklung der Weltwirtschaft und der Unternehmensgewinne auch stark verfolgen, welchen Weg die wichtigsten Notenbanken verfolgen. Im Grunde verfolgen wir aktuell einen Währungskrieg bei dem es gilt, den Wert der eigenen Währung im Griff zu behalten, um beim globalen Geschehen mitdiktieren zu können.

Die Regulatorik hat stark zugenommen, alle Akteure an den Finanzmärkten unterliegen zum Teil sehr strengen Regeln. Ist das mehr Fluch oder mehr Segen?

Reuss: Die Regulatorik ist Fluch und Segen zugleich. Man ist zwar immer stärkeren Regularien unterworfen, die das individuelle Agieren sehr erschweren. Das Positive ist wiederum, dass jedes Handeln transparent geworden ist und jeder Anleger genau weiß, welche Dienstleistung wieviel kostet. Die Banken hatten jahrzehntelang in ihren hauseigenen Produkten zum Teil hohe Kosten versteckt, zum Nachteil der Kunden. Die war ein wichtiger Grund für unsere Selbständigkeit.

Hat die klassische Vermögensverwaltung angesichts der Konkurrenz durch Robo Advisor, also automatisierte Vermögensverwaltung aus dem Internet, überhaupt noch eine Chance?

Huber: Selbstverständlich. Das Grundproblem automatisierter Vermögensverwalter liegt ja in der „Rückspiegel-Betrachtung“: Die Systeme können nur mit historischen Daten gefüttert werden. Die Welt der Kapitalmärkte mit all ihren Herausforderungen verändert sich aber permanent. Siehe die aktuelle Coronakrise, in der die Perfomance vieler Robo Advisor alles andere als gut ist. Unserer Meinung nach kann sich der Mensch besser auf diese Veränderungen einstellen als ein Algorithmus. Gleichzeitig dürfen wir uns Neuerungen nicht verschließen und müssen digitale Entwicklungen nutzen, wo es wichtig und richtig ist. Deshalb sind wir der Meinung, dass die beste Strategie ist, unsere sehr erfahrenen Mitarbeiter mit all ihren sozialen und inhaltlichen Kompetenzen mit den Möglichkeiten der digitalisierten Welt zu verknüpfen und so den größtmöglichen Nutzen für unsere Mandanten zu erzielen. FinTechs und Robo Advisor werden ihre Existenzberechtigung haben, aber es wird auch immer Menschen geben, die ihr Geld nur jemanden anvertrauen, der persönlich zur Verfügung steht und sich auch um Dinge kümmert, die ein Algorithmus nie abdecken kann.