Das große Ganze sehen

12.06.2016

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Die Finanzmärkte sind ein komplexes Gebilde, das eine zuverlässige Prognose völlig unmöglich erscheinen lässt. Zu interdependent sind mittlerweile die Märkte in West und Ost. Für Berater und Investoren ein schwieriges Terrain, denn die Sicherheit schwindet.

Klare Trends und lukrative Anlageklassen werden aber händeringend gesucht. Sind Aktien noch die erste Wahl? Wo befinden sich lukrative Märkte? Wie ist es generell hierzulande um die Wertpapierkultur bestellt?

finanzwelt diskutierte in einer Expertenrunde mit:

Lars Brandau, Geschäftsführer Deutscher Derivate Verband Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH Jan Meister, Geschäftsführer Meritum Capital Managers GmbH

finanzwelt: Die Börse ist keine Einbahnstraße. Investoren brauchten zu Jahresbeginn durchaus starke Nerven. Hat Sie die Heftigkeit des Einbruchs überrascht? Brandau: Ehrlich gesagt, hängt das immer vom jeweiligen Blickwinkel ab. Der Markt reagierte nach einem steilen, länger anhaltenden Anstieg der Kurse nun auf viele ungelöste Fragen. Die Unsicherheiten über die konjunkturelle Entwicklung, insbesondere in China, aber auch hierzulande, der Absturz an den Rohstoffmärkten und nicht zuletzt politische Krisenherde sind für die Wellenbewegungen und den Einbruch verantwortlich. Insofern ein ganzes Bündel an Gründen, die das Vertrauen der Anleger zum Teil erschüttert haben. Erst seit Anfang März sehen wir eine leichte Beruhigung im Markt. Gleichwohl vermag niemand zu sagen, wie nachhaltig die Erholung sein wird. Juds: Mich hat vor allem das Ausmaß der Korrektur überrascht, weil es eigentlich keine neuen Themen gab, die Anlass zu einer Neubewertung der Aktienmärkte gegeben haben. Es waren die bereits erwähnten Gründe. Von daher habe ich auch die Anlagestrategie nicht geändert, sondern im Februar sogar noch Positionen aufgestockt. Vor allem in Asien habe ich noch Aktienfonds zugekauft. finanzwelt: Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt bei ihrer sehr expansiven Geldpolitik und hat jüngst die Pläne zu geplanten Käufen von Unternehmensanleihen konkretisiert. Ist diese Politik „alternativlos“? Meister: Aus meiner Sicht ist die Politik nicht unbedingt alternativlos, weil sich die Wirtschaft der Eurozone besser entwickelt als von vielen wahrgenommen. Gleichzeitig war es aber sehr wichtig, dass die EZB das Kreditwachstum in der Eurozone, welches immer noch sehr gering ist, fördert. Immerhin zeigt gerade die Entwicklung im Kreditwachstum, dass die EZB-Politik durchaus wirkt und noch Potenzial hat. Es ist dann schwer zu sagen, wie expansiv die EZB-Politik letztlich sein sollte. Kurzfristig hilft sie zwar, langfristig wird aber die Rückführung der sehr extremen EZB-Politik schwierig werden. Juds: Aus Sicht der EZB vermutlich schon. Die Ziele der EZB sind vor allem, die Inflation in der Eurozone wieder in Richtung 2 % zu bringen, zweitens den Euro schwach zu halten, um so die Wirtschaft anzukurbeln und schließlich die schwachen südeuropäischen Eurostaaten finanziell zu unterstützen. finanzwelt: Würden Sie der weitverbreiteten These beipflichten, dass in dieser Großwetterlage an Aktien auch aktuell kein Weg vorbeiführt? Juds: Ja. Aus meiner Sicht gehören Aktien langfristig zu den besonders interessanten Anlageklassen. Allerdings muss ich etwas Wasser in den Wein gießen. Die Aktienmärkte sind insgesamt in den letzten Jahren gut gelaufen – trotz der jüngsten Korrekturen. Die Voraussetzung für weitere Kursgewinne ist, dass auch die Unternehmensgewinne wieder steigen. Das war zuletzt nicht der Fall. Meister: Prinzipiell stimme ich zu. Auch wenn Aktien relativ zu ihrer Historie nicht zwingend günstig erscheinen, so sind sie im Vergleich zu den Alternativen am Anleihenmarkt doch deutlich attraktiver bewertet. Ferner gibt es momentan am Markt einen sehr großen Wachstumspessimismus, der mir übertrieben erscheint. Die Verbraucher weltweit leben aktuell bei niedriger Inflation und sehr niedrigen Zinsen quasi im Paradies. Alles in allem stehen die Chancen sogar nicht schlecht, dass Unternehmensgewinne die kommenden Jahre langsam steigen. finanzwelt: Aktien sind nur nicht als Direktinvestments gefragt, sondern auch als Basiswerte bei strukturierten Wertpapieren. Welche Trends machen Sie gegenwärtig am Markt für Zertifikate aus?