Staatsverschuldung – Wem trauen die Kapitalmärkte?
28.04.2025

Andreas Görler. Foto: © Pruschke & Kalm GmbH
Bekommt man für eine Staatsanleihe 4,5 Prozent Zinsen anstatt vier Prozent, ist das erfreulich. Bei einer nominalen Anlage von 10.000 Euro bedeutet das 50 Euro „brutto“ mehr im Jahr. Für Anleiheemittenten mit hohem Kapitalbedarf ist ein solcher Zinsunterschied von 12,5 Prozent hingegen deutlich gravierender.
Geht es um einen Staat mit 36 Billionen US-Dollar Schulden, davon rund 25 Billionen aus eigenen Staatsanleihen, würde eine Refinanzierung etwa 125 Milliarden US-Dollar mehr kosten – jährlich! Hat man einen Präsidenten an der Spitze der (noch) größten Volkswirtschaft der Welt, der bereits Bankkredite und Steuergelder verschwendet hat und es vorzog, sechs Mal in die Insolvenz zu gehen (was eher einem „Geschäftsmodell“ ähnelt), muss man leider mit „kreativen Lösungen“ rechnen. Die Kombination aus Kritikresistenz, vereinfachter Kommunikation, einem Umfeld aus karriereorientierten „Ja-Sagern“ und Skrupellosigkeit führt zu Konzepten aus der wirtschaftlichen Steinzeit – und zu Stress an den Kapitalmärkten.
Schulden und Schuldzuweisungen
Auch der Schuldenstand privater Haushalte ist traditionell sehr hoch. 1,20 Billionen USDollar an Kreditkartenschulden (verzinst mit ca. 20,3 Prozent), 1,75 Billionen US-Dollar an Studentenkrediten (Zinsen zwischen 5,5 und 8,5 Prozent) und zwölf Billionen USDollar an Immobilienkrediten, oft mit 30-jähriger Laufzeit, zeigen, wie der „American Dream“ finanziert wurde und wird. Diese Zahlen offenbaren die soziale und wirtschaftliche Unsicherheit in der angeblich boomenden US-Wirtschaft. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und stagnierender Löhne sind Millionen Bürger gezwungen, selbst Grundbedarf wie Lebensmittel oder Medikamente über Kreditkarten zu finanzieren. Die gestiegenen Zinssätze erschweren es zunehmend, Kredite zu bedienen. Zur Erinnerung: Nach der Finanzkrise war jeder achte Amerikaner auf staatliche Lebensmittelzuschüsse angewiesen, insbesondere Angehörige des Mittelstands. Heute werden erneut demokratische Regierungen, das Ausland und die Fed als Schuldige ausgemacht.
US-Notenbank im Fokus
Es gibt gute Gründe, warum Zentralbanken weltweit – selbst in Autokratien – so unabhängig wie möglich von der Politik gestaltet werden. Fällt die Kontrolle über die Geldschöpfung in politische Hände, drohen fast zwangsläufig ausufernde Haushaltsdefizite, finanziert durch die Zentralbank – und damit galoppierende Inflation, ineffiziente Staatsausgaben und „Günstlingswirtschaft“. Die US-Notenbank (Fed) ist zwar keine staatliche Einrichtung wie etwa die EZB oder Bundesbank, aber das Federal Reserve Board of Governors, aktuell unter Jerome Powell, agiert unabhängig. Entscheidend sind die Zinsentscheidungen des sogenannten Offenmarktausschusses (FOMC), bestehend aus sieben Board-Mitgliedern, dem Präsidenten der Fed New York sowie vier rotierenden Regionalvertretern.
Anstrengende Rhetorik
Trump stört diese Unabhängigkeit. Über Ostern forderte er erneut den Rücktritt Powells – seines eigenen Nominierten. Hintergrund: Powells Aussagen, dass Trumps Importzölle inflationstreibend seien und das Wachstum bremsen könnten. Für Trump ein Affront, denn Zinssenkungen gelten für ihn als Mittel gegen die Wachstumsabkühlung und zur Begrenzung des Defizits. Trump hat mehrfach betont, er wisse mehr über Zinsen als die Fed. Und: Er forderte ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen der Notenbank – eine Vorstellung, die grundlegende Prinzipien der Gewaltenteilung verletzen würde. Auch wenn Trump die Fed nicht einfach kontrollieren oder den Vorsitzenden entlassen kann, zeigt sein Vorgehen, dass er bereit ist, rechtliche Grenzen auszureizen.
Reaktionen ausländischer Investoren
Ausländische Kapitalhalter warten nicht erst auf politische Entscheidungen. Vor allem China und seine Partner befürchten, dass Trump im Ernstfall ihre US-Reserven einfrieren oder beschlagnahmen könnte – ähnlich wie westliche Staaten russische Vermögenswerte eingefroren haben. Erschwerend kommen Spekulationen hinzu, die USA könnten den IWF verlassen – ein massiver Einschnitt ins globale Finanzsystem. Insgesamt könnten ausländische Investoren ihr Engagement in den USA reduzieren und beginnen, Kapital abzuziehen. Ein gefährlicher Trend, denn ausländisches Kapital hat bislang einen erheblichen Teil der US-Staatsfinanzierung getragen.
Verschiebung der Kapitalströme
Trumps geopolitische „Strategien“ haben paradoxerweise europäische Staaten näher zusammengebracht – politisch, militärisch und wirtschaftlich. Gleichzeitig planen europäische Länder höhere Staatsausgaben für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz, was das Wachstum stärken und die EZB zu Zinssenkungen bewegen könnte. Als sicherer Hafen wird traditionell der Schweizer Franken genutzt, der von der SNB gestützt wird. Die Kapitalströme verändern sich: Verkäufe von US-Staatsanleihen und Käufe von Gold häufen sich. Das führt zu Aufwärtsdruck auf US-Zinsen und zu Entspannung in Europa. Die Folge: Abwärtsdruck auf US-Aktien – bei gleichzeitigem Rückenwind für europäische Werte. Auch US-Investmenthäuser wie Goldman Sachs und Threadneedle äußern sich zunehmend positiv zu Europa-Investments.
Fazit: Vertrauen ist die vielleicht wichtigste Währung an den Kapitalmärkten – und Vertrauen kann schneller zerstört werden, als es aufgebaut wurde. In den ersten Handelstagen nach Ostern haben die Kapitalmärkte ein klares Signal gesetzt: Das Vertrauen gilt der Fed und Jerome Powell – und eben nicht der US-Administration.
Marktkommentar von Andreas Görler, sen. Wealth Manager und zert. Fachmann für nachhaltige Investments, Pruschke & Kalm – Wellinvest, Berlin.

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