Das große Ganze sehen
12.06.2016
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Brandau: Nun, es geht meist um das sauer Ersparte und damit auch um die individuelle Altersvorsorge. Niemand möchte Einbußen erleiden oder seine Finanzplanung in Gefahr wissen. Der Sicherheitsgedanke muss im Fokus stehen, und dennoch gibt es keine „sicher“ geglaubten Häfen, in die Anleger völlig entspannt die Stürme an den Kapitalmärkten abwarten können. Das bedeutet, der Vermögensaufbau hat einen ganz anderen Drift bekommen, eine Richtungsänderung durch verfallene Zinsen und volatilere Aktienmärkte. Aufklärungsangebote gibt es in Hülle und Fülle, aber die müssen auch angenommen werden. Die Wertpapierkultur ist des Deutschen ungeliebtes Kind und wir sollten nicht müde werden, auf die Notwendigkeit finanzieller Vorsorge und Bildung hinzuweisen. Das beginnt letztlich schon in der Schule. finanzwelt: Abseits der Produktschiene machen wir weitere Trends aus. Zum einen die fortschreitende Digitalisierung der Anlageberatung. FinTechs mit ihren Robo-Advice-Lösungen bieten automatisiert und kostengünstig Vermögensdienstleistungen an. Führt das zu einem Verdrängungswettbewerb? Meister: Ich sehe FinTechs als eine gute Ergänzung und Bereicherung zu den etablierten Anbietern an. FinTechs werden weder aktives Fondsmanagement, noch individuelle Beratung ersetzen. Sie entwickeln aber interessante Tools, die genutzt werden können. Damit geben sie vielleicht auch für die Anleger, die nicht individuell beraten werden und dennoch systematisch investieren wollen, einige Instrumente an die Hand. Brandau: Neuere Entwicklungen müssen ihren versprochenen Mehrwert tatsächlich erst einmal nachhaltig in jeder Börsenphase unter Beweis stellen. Viele Unternehmen verweisen auf die vermeintlich hohen Kosten der traditionellen Banken, gepaart mit einer Underperformance, in der Vermögensverwaltung. In meinen Augen müssen Robo-Advisor und andere Anbieter erst eine entsprechende Erfolgsbilanz über mehrere Jahre aufweisen, um hierzu eine fundierte Aussage zu treffen. Eines ist aber sicher: Speziell im komplexen und kleinteiligen Finanzgeschäft wird der Computer alleine den Faktor Mensch und seine Beratungsleistung nicht so ohne weiteres verdrängen. finanzwelt: Zum anderen schwebt die Regulierung wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Wer darf wozu und in welchem Umfang noch beraten? Geht dieses eng gezurrte Regulierungs-Korsett nicht erheblich zu Lasten des Verbrauchers? Juds: Grundsätzlich finde ich es positiv, dass Anleger die Produkte besser miteinander vergleichen können. Chancen, Risiken und Kosten werden den Investoren offengelegt. Allerdings setzt dies wiederum ein Grundverständnis für die Märkte und die Produkte voraus, das nicht jeder hat. Daher würde ich mir im Sinne der Anleger eine Balance wünschen zwischen den rechtlich notwendigen und dennoch einfach und verständlich aufbereiteten Informationen. Gerade wir als Anlageberater und Vermögensverwalter müssen hier einen Weg finden, der beide Seiten berücksichtigt. finanzwelt: Zu guter Letzt: Was erwarten Sie noch vom Aktienjahr 2016? Meister: Das Aktienjahr 2016 sollte uns eher positiv überraschen. Es sollte sich im Laufe des Jahres herausstellen, dass die Welt weiter – wenn auch langsam und vielleicht volatil – wächst. Insgesamt ist das ein gutes Aktienumfeld und mit Blick auf das Jahr 2017 wird man erneutes Wachstum erwarten. Derzeit ist meiner Ansicht nach die Stimmung schlechter als die Lage, was eine gute Ausgangslage ist. Juds: Trotz der Kurseinbrüche zu Jahresbeginn rechne ich insgesamt mit einem guten Aktienjahr 2016 für denjenigen, der bisher durchgehalten hat und investiert geblieben ist. Die Schwankungen dürften hoch bleiben, denn schwierige Themen haben wir genug. Der mögliche Brexit, die Lage in Griechenland und die ganzen geopolitischen Krisenherde können jederzeit neue Kurskorrekturen auslösen. Aber am Ende setzt sich wieder die Erkenntnis durch, dass die Anleger in Aktien investieren müssen, weil es bei ihrem natürlichen Widersacher, dem Zinspapier kaum noch Erträge zu verdienen gibt und dass Aktien doch die bessere Wahl sind. (hsd)