Corona, Merkel/Macron, EZB-Hilfen und die Aktienmärkte

29.05.2020

Guillaume de Martel (li), Head of Lyxor Deutschland und Torsten Reidel (re.), Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments / Fotos: © Lyxor / Gruner Fisher

finanzwelt: Ist aufgrund der Konjunktur- und Hilfsprogramme mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen?

de Martel: Die erste Beobachtung, die man machen kann, ist, dass die unkonventionelle Geldpolitik, die in den Vereinigten Staaten und in Europa nach der Krise von 2008 verfolgt wurde, keine Auswirkungen auf die Inflation hatte. Dasselbe gilt für Japan. In Europa ist der jährliche Anstieg der Verbraucherpreise unter den 2 % geblieben, die die EZB als Referenz nennt - obwohl die Bilanz der Zentralbank auf fast 50 % des BIP gestiegen ist. Andererseits führte diese unkonventionelle Liquiditätshilfe zu einem starken Wertanstieg von Finanz- und Immobilienvermögen.

Kurzfristig und trotz der massiven Impulse, die derzeit gegeben werden, erwarten wir, dass die Produktionslücken negativ bleiben und den Inflationsdruck begrenzen werden. Dasselbe erwarten wir für die Arbeitsmärkte, die unter hohen strukturellen Arbeitslosenquoten leiden, insbesondere südlich des Rheins. Wenn wir eine vollständige Monetarisierung der Schulden durch die EZB ausschließen, müsste darüber hinaus der derzeitige sprunghafte Anstieg der Staatsausgaben eines Tages zurückgeschraubt werden. Dies würde eine Anpassung der öffentlichen Ausgaben und/oder höhere Steuern erfordern. Auf längere Sicht könnten jedoch einige strukturelle Veränderungen stattfinden. Der Trend zur Globalisierung ist eine davon: Als Anbieter eines nahezu unbegrenzten Angebots an billigen Arbeitskräften und Gütern stand China bei den deflationären Trends der letzten dreißig Jahre im Mittelpunkt. Dies könnte sich ändern, da die Produktionskosten steigen und die entwickelten Volkswirtschaften sich wieder auf ihre Binnenmärkte konzentrieren könnten. Darüber hinaus halten wir es für möglich, dass die von der Trump-Administration eingeleiteten protektionistischen Maßnahmen und die Gegenreaktion von Peking sowie wahrscheinliche künftige Bewegungen zur Verlagerung bestimmter Aktivitäten in Hochlohnländer der Industrieländer die Inflation anheizen könnten. Wir betrachten dieses Szenario jedoch nicht als Risiko und erwarten nicht, dass die Inflation außer Kontrolle geraten könnte.

Reidel: Es gibt aus unserer Sicht wenig Anzeichen für einen übermäßigen Anstieg der Inflation. Der Lockdown hat der Wirtschaft Liquidität entzogen. Beispielsweise erlitten Hochzinsanleihen einen schweren Schlag, weil Investoren Insolvenzen befürchten. Die meisten Maßnahmen sind einmalige Aktionen, um solche in der Krise entstandenen Liquiditätsengpässe auszugleichen. Auch 2009 und 2011 stieg die Geldmenge kurzfristig um mehr als 20 Prozent an, ohne eine ausufernde Inflation auszulösen. Letzten Endes ist relevant, wieviel der realen Geldmenge auch tatsächlich im Wirtschaftskreislauf ankommt. Die Anleihekaufprogramme der Zentralbanken wirken dem sogar ein Stück weit entgegen. Denn durch die gestiegene Nachfrage sinken die langfristigen Zinsen und somit auch die Risikobereitschaft der Banken bei der langfristigen Kreditvergabe. Mangelndes Kreditvolumen ist häufig eher ein angebotsseitiges Problem. Das war auch schon während des vorangegangenen Bullenmarkts der Fall, als die Zentralbanken trotz massiven Anleiheankäufen ihre Inflationsziele nicht erreichen konnten.

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