Chinesische Marken: Neue Lieblinge in der Heimat

16.02.2021

René Kerkhoff / Foto: © DJE

Für den chinesischen Geschmack

Das Marketing der chinesischen Unternehmen kommt bei den Einheimischen an. Während die ausländische Marke den Nährwert ihrer Säuglingsnahrung anpreist, pflegt die einheimische Marke Feihe die Beziehungen zu den Verbrauchern über Treueprogramme, Hilfsgruppen für frischgebackene Eltern oder Buchbände mit Gute-Nacht-Geschichten. Und chinesische Marken passen ihre Waren zunehmend an den heimischen Geschmack an. China Mengniu Dairy Co. steigerte beispielsweise den Verkauf seiner Milchprodukte durch Innovationen wie Käse mit Ananasgeschmack und Snacks mit Tintenfisch zusätzlich zum Basisangebot aus Milch und Fruchtjoghurt.

Nur wenige internationale Konzerne sind ebenso agil und operieren mit innovativen Vertriebsstrategien. So verkaufte Estée Lauder am chinesischen Singles’ Day – mit einer Livestreaming-Kampagne, Zwei-für-Eins-Rabatten und Ratenzahlungsplänen – Produkte für mehr als 2 Milliarden Yuan (mehr als 250 Millionen Euro). Und die auf Geflügel spezialisierte US-Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) – immer noch die größte in China – ergänzte ihr Brathähnchen für Kunden, die in der Pandemie zu Hause festsaßen, mit Produkten wie schnellkochenden, sauren Schneckennudeln. Ausländische Marken dominieren bis heute in Hochpreis-Kategorien wie exklusiven Handtaschen und Luxusautos. Doch gerade die Autohersteller müssen aufpassen.

Automarkt: Der Vorsprung deutscher Topmarken schmilzt

China ist mit Abstand der größte Automarkt der Welt – und daher ein Schlüsselmarkt für deutsche Hersteller. Diese haben einen sehr guten Ruf. Bislang kaufen die Chinesen gern die top ausgestatteten Luxusmodelle und die Profitabilität in China ist für deutsche Hersteller ungleich höher als in Deutschland. Doch einer aktuellen Umfrage zufolge ist das angesagteste Auto in China kein Porsche oder Tesla mehr, sondern ein NIO. Die Marke gibt es erst seit 2014 und kann sich in Sachen Tradition und Strahlkraft (zumindest noch) nicht mit europäischen Marken messen. Dennoch hat NIO mit seinem Elektro-SUV bei Qualität und Design einen Riesensprung gemacht, bietet eine ordentliche Reichweite und ist deutlich günstiger als etwa ein vergleichbares Modell von BMW. Der Wettbewerbsdruck auf europäische Hersteller steigt durch chinesische Anbieter zunehmend.

Chinesische Automarken punkten mit innovativen Geschäftsmodellen

NIO ist nicht allein. Weitere chinesische Autohersteller wie BYD, BAIC oder Geely drängen derzeit mit neuen E-Autos auf den Markt. Sie winken nicht nur mit moderner Technik und günstigeren Preisen, sondern gehen auch neue Wege. So spart sich die dreijährige Geely-Tochter Lynk & Co ein teures Vertriebsnetz. Konfiguriert und bestellt wird online. Alternativ zum Kauf bietet Lynk auch ein günstiges Abo-Paket inklusive Wartung, Steuer und Versicherung an, bei dem die Abonnenten ihr Auto mit Dritten teilen und so auch noch Geld verdienen können. Auch Aiways startet mit einem ungewohnten Konzept für sein E-SUV. Es wartet dank neuer Akkutechnologie mit großer Reichweite auch bei Minusgraden zu einem konkurrenzfähigen Preis auf – und das nicht nur in China. In Europa können Kunden den Wagen bei den Filialen des Elektronikhändlers Euronics Probe fahren. Bestellt wird online und für die Wartung hat sich Aiways mit dem Kraftfahrzeugzubehör- und Autoteilehändler A.T.U. zusammengetan, der ein weites Werkstattnetz betreibt. Herzstück der E-Mobilität ist die Batterie. Daher brauchen Autohersteller eine Partnerschaft mit erfolgreichen und innovativen Batterieherstellern. Einer der weltweit führenden Batteriehersteller heißt CATL und sitzt in China – ein möglicher Vorteil für chinesische Automarken.

Chinesische Anbieter holen auf – und bieten interessante Anlagemöglichkeiten

Westliche Marken haben in China noch immer einen hohen Stellenwert. Doch chinesische Anbieter haben branchenübergreifend massiv aufgeholt oder sind ihrer ausländischen Konkurrenz mit Blick auf Marketing und Vertrieb oder sogar technisch zum Teil eine Nasenlänge voraus. Die E-Mobilität ist nur ein Beispiel dafür. „Kauft chinesisch“ kommt bei den chinesischen Kunden auch gut an. Für Investoren erweitern sich dadurch die Möglichkeiten, in den chinesischen Binnenmarkt zu investieren.

Marktkommentar von René Kerkhoff, Analyst für die Sektoren Technologie, Automotive und Retail sowie Fondsmanager des DJE – Mittelstand & Innovation bei der DJE Kapital AG