Big Tech – zu schön, um wahr zu sein?
11.11.2020
Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper
Kaum „Dickschiffe“
In seinem wikifolio verzichtet Waldhauser aktuell vollends auf Apple, Microsoft und Amazon: „Nicht jede Tech-Aktie, die in den letzten Jahren so ausnehmend gut gelaufen ist, wird auch in den kommenden Jahren ein erstklassiges Investment sein. Das gilt meiner Einschätzung nach auch für Apple und Microsoft.“ Bei Amazon sieht der Trader immerhin eine gewisse Fantasie durch ein mögliches Spin-Off (Abspaltung) von AWS (Amazon-Web-Services), etwas, das durch den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl nicht unwahrscheinlicher geworden ist. In Sachen „Big Tech“ setzt Waldhauser aktuell nur auf Facebook und Alphabet. Sie kommen auf einen Depotanteil von gut sechs bzw. drei Prozent.
Wissen, in was man investiert
Auch Thomas Rappold kennt die Technologieszene. Der Internet-Unternehmer und Buchautor („Silicon Valley Investing“) kann der von Waldhauser geäußerten Kritik an ETFs etwas abgewinnen: „Ja, es gibt da eine Art ‚Scala Mobile‘, wie die Italiener sagen.“ Also einen Zusammenhang zwischen der Gewichtung in ETFs und den Aktienkursen der großen Tech-Unternehmen. „Dies liegt aber auch mit daran, dass jeder Journalist im Gleichklang geradezu reflexartig immer nur ETFs, und dann auch nur bestimmte, als ‚die ultimative Lösung‘ empfiehlt. Das sehe ich kritisch.“ Laut Rappold sollten sich Anleger immer eine eigene Meinung bilden und sich im Klaren sein, in was und in welche Werte sie investieren: „ETFs stehen für mich für eine relative Monotonie. Die Aktienanlage lebt aber von Ideen und individuellen Meinungen. Das schafft Raum für Innovationen und hohe und überdurchschnittliche Erträge.“
Christian Jagd zeichnet für das derzeit erfolgreichste wikifolio überhaupt verantwortlich. Er sieht ebenfalls den Anleger in der Verantwortung: „Ob direktes Investment in die jeweiligen Aktien oder indirekt über ETFs oder Zertifikate, wichtig ist, dass der Anleger sich klar macht, in was er da investiert.“ Also etwa, dass je nach ETF ein bedeutender Anteil des Geldes in den großen Tech-Playern steckt. An und für sich sei das aber noch kein großes Problem, so Jagd: „Diese Unternehmen sind selbst auf unterschiedlichsten Feldern von Software über Hardware bis hin zu verschiedensten Dienstleistungen unterwegs und weisen somit eine gewisse Diversifikation in ihrem Geschäftsmodell auf.“ Gleichzeitig warnt der Trader aber bezugnehmend auf die „Kapitalsammelfunktion“ der ETFs: „Das Pendel kann bei Kapitalabflüssen auch in die Gegenrichtung ausschlagen.“
Welche Gemeinsamkeit viele Tech-Aktien haben und welcher Markt in den kommenden Jahren prägend sein könnte, erfahren Sie auf Seite 3