Big Tech – zu schön, um wahr zu sein?
11.11.2020
Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper
1,7 Billionen Euro. Das ist der Börsenwert, den Apple als größtes Unternehmen der Welt aktuell auf die Waage bringt und eine Zahl, die sich kaum ein Mensch vorstellen kann. Apple ist einer von insgesamt nur drei Giganten, die die Billionen-Marke an der Börse bislang geknackt haben.
Platz 2 angelt sich Microsoft, es folgt Amazon. Die Aktienkurse von „Big Tech“ haben sich in der Vergangenheit herausragend entwickelt. So stehen zum Beispiel auf Sicht von zwei Jahren jeweils zumindest Verdoppler zu Buche – trotz einer Pandemie, die ganze Wirtschaftszweige lahmlegt. Apple, Microsoft und Amazon lassen auch den besten Index – den Nasdaq 100 – in Sachen Performance weit hinter sich. Und zwar seit Jahren. Sind die Geschäftsmodelle der Top 3 wirklich so gut? Oder ist ihre jahrelange Dominanz und damit Outperformance zu schön, um wahr zu sein?
Blasenbildung bei Big Tech?
Stefan Waldhauser, der als Tech-Unternehmer und -Investor seit Jahren erfolgreich ist, äußerte sich Mitte Oktober auf seinem Blog kritisch zu den Aktien der großen Tech-Konzerne. Für deren Outperformance gibt es laut Waldhauser zwar gute fundamentale Gründe, günstig seien die Titel aber nicht: „Besonders Apple und Microsoft sind vom Bewertungsniveau her immer noch extrem teuer.“
Außerdem, so der Branchenkenner, könnte die hohe Gewichtung von Apple, Amazon und Microsoft in den Technologie-Indizes ein nicht unerheblicher Grund dafür sein, warum diese Aktien in den letzten Jahren so gut gelaufen sind. Die Frage: Unterstützen ETFs womöglich gar eine Blasenbildung bei Tech-Riesen?
The winner takes it all
Tatsächlich steckt jeder, der zum Beispiel in einen ETF auf den Nasdaq 100 investiert, gut ein Drittel seines Geldes in Apple, Microsoft und Amazon. Der größte börsennotierte Indexfonds überhaupt, der aus dem Hause BlackRock stammende ETF auf den S&P 500, kommt auf ein Fondsvolumen von 40 Milliarden Dollar. Gemeinsam mit Facebook stemmen Apple, Microsoft und Amazon ein Fünftel des Gewichts des 500 Werte umfassenden Index. Waldhausers Kritikpunkt: Da die Gewichtung der Einzeltitel in den Indizes von der Marktkapitalisierung abhängt, investieren viele Anleger beim ETF-Kauf – womöglich ohne es zu wissen – in ein konzentriertes Portfolio der Tech-Riesen.
Dadurch steigen die Kurse dieser Aktien noch stärker, was wiederum die ETF-Kurse nach oben treibt und so weitere Anlegergelder anzieht. „Eine Spirale nach oben kommt in Gang. Das klingt nach dem Stoff, aus dem die Börsen-Blasen sind“, summiert Waldhauser. Er warnt daher auch vor dem Irrtum, Branchen-ETFs seien gut oder besser diversifiziert als konzentrierte Fonds oder wikifolios: „Von einem geringeren Risiko kann keine Rede sein. ETFs auf den MSCI World Information Technology Index oder den Nasdaq 100 Index sind vor allem eine Wette auf die weitere Outperformance von Apple, Amazon, Microsoft und wenigen anderen Dickschiffen.“
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