Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
06.03.2023
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Wie viele andere habe ich mich geirrt. Die Wirtschaft hält sich trotz gestiegener Zinsen länger stabil als ich dachte. Der Auftragsbestand wird derzeit abgearbeitet und die staatlichen Hilfen, besonders in den USA, halfen bis jetzt mit, eine Rezession zu vermeiden.
Ebenso die kräftig gefallenen Energiepreise, die allerdings auch dem milden Winter geschuldet waren. Vorher hatten wohl „interessierte“ Kreise (zum Beispiel Hedgefonds, Produzenten) die Preise nach oben gepuscht. Ein Hinweis sind die exorbitanten Gewinne der Ölproduzenten. Aber auch der Fachkräftemangel hat dazu beigetragen. Die Industrie hat, trotz schlechteren Wirtschaftsaussichten, niemanden entlassen, aus Angst für einen nächsten Aufschwung kein Personal mehr zu bekommen.
Dies hat die Einkommen stabil gehalten. Die Löhne dürften sogar in diesem Jahr zum Teil kräftig steigen, aber es wird netto kein Totalausgleich für die hohe Inflation werden. Die Lohn-Preis-Spirale bleibt uns demnach erhalten und wird einen kräftigen Rückgang der Inflation erschweren oder sogar verhindern. Der Kaufkraftverlust wird sich erst im Laufe des Jahres bemerkbar machen. Dann wird sich zeigen, ob das „Schönreden“ der Politik (Habeck: Wir haben die Krise beherrschbar gemacht) nur Nebelkerzen waren. Die Inflationszahlen waren „überraschend“ hoch. Auftragseingänge mit dickem Minus. Auch die Börsenteilnehmer haben ihre Meinung im 4. Quartal 2022 geändert.
Wir haben die Krise beherrschbar gemacht?
Sie gehen jetzt davon aus, dass es keine schwere Rezession gibt, zumal die Umkehr der chinesischen Covid-Strategie die Weltwirtschaft stabilisieren könnte. Unterstützt durch die für dieses positivere Szenario viel zu hohe Liquidität stiegen die Aktienkurse wieder an. Die Profis mussten investieren, um den Börsenzug nicht zu verpassen, Bankanalysten erhöhten ihre Kursziele. Mit den steigenden Kursen wurden auch die privaten Anleger wieder mutiger. Die Hausse nährt halt die Hausse, zumal der zwischenzeitliche Höhepunkt der Inflationsraten überschritten scheint. Auch glaubt die Börse, dass die Zinsspitze der Notenbanken (Fed ca. 5,25 %, EZB ca. 3,5 %) im 1. Quartal erreicht ist, die Inflationszahlen rückläufig bleiben und so die Geldhüter die Zinsen bald wieder senken werden. In den USA schien im Januar die hohe Zahl der offenen Stellen auf eine kräftige Wirtschaft hinzudeuten. Diese Zahlen haben aber einen statistischen Hintergrund. Zum Weihnachtsgeschäft werden viele Kräfte eingestellt, die im neuen Jahr dann wieder entlassen wurden. Diese Zahlen werden deshalb „saisonbereinigt“. Die Zahlen bedeuten also dieses Mal nicht, dass weitere Arbeitsplätze geschaffen, sondern dass kaum jemand entlassen wurde. Die Unternehmen haben wohl aus Angst vor fehlen-dem Personal derzeit auch nicht benötigte Mitarbeiter weiterbeschäftigt.
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