Auch Loipfinger muss verkaufen

06.03.2018

Foto: © Stefan Loipfinger

Wirklich spannend ist dagegen, dass Loipfinger nicht auf die Idee kommt, auch einmal seine Gewährsleute unter den Euro-Skeptikern und -Verdammern genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn da gibt es eine Frage, zu der ich mir tatsächlich einen Text von Loipfinger wünsche. Die Politik, die die Issings, Starks, Folkerts-Landau und Konsorten empfehlen, hat einen pikanten Nebeneffekt: Durch die hohen Überschüsse der Leistungsbilanz sammeln wir in Deutschland Finanzvermögen in Form von Schuldscheinen vor allem eben der südeuropäischen Defizitstaaten an statt in unsere angeschlagene Infrastruktur zu investieren. An der Höhe der Vermögensbildung muss sich bei einer Umsteuerung nichts ändern, nur an der Zusammensetzung des Vermögens: Wir könnten mehr physisches Kapital in Form erneuerter Verkehrswege, Kommunikationsnetze („Breitband in jedes Dorf“) oder sanierter Schulen haben und dafür weniger fremde Schuldscheine. Zumal diese Schuldscheine ja gerade aus Loipfinger Sicht eine bestenfalls zweifelhafte Bonität aufweisen. Was ist also eigentlich so toll an der von den Issings und Starks dieser Welt empfohlenen Politik?

Letztlich kommen wir hier zu einem weiteren Schwachpunkt des Buchs, Loipfingers Überlegungen zum Anlegerschutz. Da findet sich dann eine These wie „Information ersetzt keine wirksamen Schutzvorschriften“ und die Vorstellung eines Finanz-TÜV, der wie bei den Fahrzeugen überprüft, ob die Produkte ordnungsgemäß funktionieren und Produkte mit ernsten Mängeln vom Markt verbannt um die Anleger vor Verlusten zu schützen. Hier wird es extrem haarig: Denn was aus der Perspektive der Prüfungs und Bewertung des einzelnen Produkts ohne weiteres nachvollzuehbar ist, gilt aus der Sicht des Marktsystems insgesamt noch lange nicht. Es war ausgerechnet der Nobelpreisträger Miltion Friedman der in seinen frühen Arbeiten gezeigt hat, dass der Verlust von Anlegern, die sich regelmäßig verschätzen und daher schlechte Entscheidungen treffen, ein wichtiger Effizienz schaffender Mechanismus ist. Denn es geht auf Finanzmärkten nie allein um die Produkte und seine Erträge sondern immer auch um den Markt, der mit seinen Preisen und Renditen entscheidende Steuerungssignale für Investitionen, langfristige Anschaffungen oder Absicherung von Risiken in das Marktsystem zurück liefert. Diese überschneidenden Funktionen der Finanzmärkte zwischen Vermögensanlage und Steuerung bewegen und treiben die ökonomische Theorie seit Jahrhunderten an. Knut Wicksell entwicklte von hier aus eine Konjunkturtheorie, die Keynes zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen machte. Milton Friedmans Kritik an Keynes setzt auch gerade wieder an diesem Punkt an mit seiner These, dass nicht zuletzt der Verlust der falsch entscheidenden Anleger für effiziente Signale im Marktsystem sorgt.

Und die moderne Gleichgewichtstheorie deutet in die gleiche Richtung. Es ergibt sich eine klare Trennung zwischen der Funktion der real investierenden „Unternehmern“, die mit ihren Investitionen einfach Einkommen maximieren und den „Haushalten“ oder „Konsumenten“, die Risiken durch Streuung minimieren. Ergo: Wer Finanzprodukte über volle Transparenz hinaus „kindersicher“ machen will, muss dafür mit sinkender Effizienz der Märkte zahlen. Der Sektor der privaten Haushalte ist und bleibt der Ort, wo die nach der Portfoliobildung und den anderen Absicherungstechniken verbleibenden Risiken getragen werden müssen. Wer daran rüttelt, rüttelt an der Marktwirtschaft. Und deshalb geht Stefan Loipfinger in diesem Punkt erkennbar in die falsche Richtung soweit er mehr verlangt als volle Transparenz.

Diese Transparenz ist freilich nicht so einfach erreichen. Sie muss erarbeitet und erkämpft werden. Gerade in diesem Punkt leistet Loipfinger mit seinen Analysen vorbildliche Arbeit. Was er drum herum schreibt, sollte nicht ganz so ernst genommen werden. Denn wie wir alle unterliegt auch Stefan Loipfinger den Zwängen des Marktes – wie er wohl ungewollt mit seiner sachlich völlig überflüssigen, offenbar nur auf „Verkaufe“ ausgerichteten, reißerischen Einleitung beweist.

Ein persönliches Wort zum Schluß:

Lieber Stefan, von dir habe ich gelernt, dass die Fakten auf den Tisch müssen. Meine Kritik an ein, zwei missratenen Kapiteln ändert nichts an meiner Bewunderung für deine Leistungen und dein Können. Es ärgert mich allerdings über die Maßen, wenn du dich zum nützlichen Idioten für das braune Gesocks machst. Tu es bitte nicht.

Liebe Leserinnen und Leser, kauft das Buch – und reißt die schlechten Seiten meinethalben einfach raus, der Rest ist sein Geld immer noch doppelt und dreifach wert. (mk)

Bibligrafische Angaben:

Stefan Loipfinger

Achtung Anlegerfallen!: Wie Sie teure Fehler vermeiden und Chancen nutzen

26. Februar 2018

Gebundene Ausgabe

EUR 19,99

ISBN 978 – 3 – 95972 – 087 – 8