Auch Loipfinger muss verkaufen

06.03.2018

Foto: © Stefan Loipfinger

Im Dunkeln bleibt auch folgender Hintergrund: Die Risikoprämien auch für mittlere und schwächere Bonitäten (also da wo die Masse der Unternehmen angesiedelt ist) erhöhten sich mit der Krise 2008/9 so stark, dass sie zeitweilig deutlich größer waren als die Basiszinsen und nur durch die ultralockere Politik wieder herunter gedrückt werden konnten. Tatsächlich stiegen damals die Sollzinsen für Unternehmenskredite trotz der laufenden Zinssenkungen zunächst rasant - sofern die Unternehmen überhaupt Kredit bekamen. Das ist Loipfinger keine Zeile wert, es würde ja seine zuweilen geradezu alttestamentliche Verdammung des bösen Mario Draghi konterkarieren. Ohne Zinssenkungen hätte auch die stark auf mittelständische Unternehmen gebaute deutsche Wirtschaft einen regelrechten Crash erlebt.

Für Loipfinger ist dagegen klar, dass die (bis heute nicht ausgeräumten) Bedenken der EZB wegen der schwachen Inflation nur „vorgeschoben“ sind. Und so zitiert er die üblichen Verdächtigen unter den EZB-Kritikern wie die Ex-Notenbanker Jürgen Stark oder Otmar Issing oder den Deutsche Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau. Völlig entgangen ist ihm dabei offenbar, wie sehr sich die wissenschaftliche Diskussion im Nachgang zur Krise verändert hat: Das Research der US-FED (vor allem Kansas) hat einige Papiere veröffentlicht, die auf den tiefgreifenden Strukturbruch hinweisen, der stattgefunden hat mit der Folge, dass seit der Nachkriegszeit sicher geglaubte Beziehungen und Relationen zusammengebrochen sind wie etwa Okuns Gesetz und stattdessen die in den 80er schon auf den Müllhaufen der Theoriegeschichte geratene Phillipskurve wieder heiß diskutiert wird. Stattdessen wärmt Loipfinger die alte Mär auf, derzufolge die Wettbewerbsnachteile schwächerer Staaten einfach durch Wechselkursanpassungen augeglichen werden können. Natürlich muss dafür Parität der italiensichen Lira zur DM herhalten. Die aktuellen Erfahrungen der Briten (deren Produktivität übrigens geringer ist als die italienische, wie die UK-Statistikbehörde ONS unlängst feststellte) beweisen allerdings eher das Gegenteil: Trotz der Abwertung des Pfunds im Gefolge der Entscheidung für den Brexit hat sich die UK-Handelsbilanz kontinuierlich weiter verschlechtert.

Vollends mondsüchtig werden Loipfingers Verschwörungstheorien, wenn er den zum Popanz aufgeblasenen „Dracula Draghi“ mit der Bankenrettung in Zusammenhang bringt. Draghi hatte seinerzeit als Chef der italienischen Notenbank der (mittlerweile wieder) in Schwierigkeiten steckenden Bank Monte dei Paschi di Siena auf der Basis schwacher Sicherheiten („Schrottanleihen“) einen Kredit bewilligt. Natürlich nicht Draghi persönlich, sondern die italienische Notenbank, in der auch der Chef nicht einfach Kredite nach Gutdünken vergeben kann.

Loipfinger sieht hier aber vor allem, dass der böse Draghi „ein neues Konzept ausprobiert, bei dem Geschäftsbanken auf Kosten der Steuerzahler vor Insolvenzen geschützt werden. Heute praktiziert er dieses System im Großen . . . “ (so auf Seite 13).Wow, ein echter, filmreifer Bösewicht, dieser Draghi, möchte man da sagen. Bei Licht besehen ist es aber einfach nur noch Blödsinn, was Loipfinger hier behauptet. Richtig daran ist nur, dass Banken in aller Regel durch Staatsgeld gerettet werden. Das war schon Teil von Roosevelts New Deal, mit dem die Krise der 30er Jahre bewältigt wurde und genauso in der US-Sparkassenkrise der 80er Jahre (savings-and-loans), die den Steuerzahler am Ende 124 Mrd. Dollar kostete. Die Rettung der Münchner HVB war nicht ganz so teuer.

Natürlich bringt Loipfinger auch den bedeutungsvollen Hinweis, dass der Italiener (!!) Draghi mit seiner Politik (der Rest der EZB-Führung scheint uninteressant) vor allem die Staatsfinanzen der unsoliden Südstaaten wie Italien (!!!) stützt. Dass diese EZB-Politik Voraussetzung für Schäubles schwarze Null und Deutschland der größte Profiteur ist, fällt bei Loipfinger unter den Tisch.

Das Schlimmste an Loipfingers populistischem Mist ist aber, dass er keinerlei Bedeutung für die eigentliche, hervorragende Substanz des Buchs hat. Es ginge wohl nirgendwo etwas verloren, wenn dieser Teil einfach gestrichen würde. Es gibt zwar so etwas wie eine formelle Motivation für diese Einleitung, die nach unserem Verständnis besagt: Die Nullzinsen treiben Anleger in riskante und sinnlose Anlagen, über die dann aufgeklärt wird. Das Ganze ist aber so durchsichtig und sinnfrei aufgeklebt wie der Versuch, den gewöhnlichen Pornofilmchen mithilfe einer Pseudo-Handlung so etwas wie eine Dramaturgie und Folgerichtigkeit zu geben für die eher monotonen Anstrengungen der Akteure und Aktricen, einen Lustgewinn zu erzielen.

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