Aktien: Europe first!
12.07.2017
Gottfried Urban, Vorstand Bayerische Vermögen / Foto: © Bayerische Vermögen
Die Konjunktur läuft in fast allen Regionen der Welt hervorragend. Entsprechend gut, teils gar euphorisch ist die Stimmung an den Aktienmärkten. Die Blue Chips und Standardwerte haben hohe Bewertungen erreicht. Mehr und mehr verlegen sich die Anleger auf Werte aus der zweiten Reihe. All das sind typische Anzeichen, dass der Bullenmarkt in eine Spätphase eingetreten ist. Trotzdem lohnt es sich weiterhin, in Aktien zu investieren - wenn man auf unterbewertete Unternehmen und Gewinner der kommenden Zinswende setzt.
In den vergangenen Monaten liefen Nebenwerte bereits besonders gut. Für weiteres Aufwärtspotenzial der Nebenwerte spricht, dass sie von der Mehrheit der Anleger immer noch vernachlässigt werden. Der Großteil kauft lieber Qualitätsaktien wie Nestlé und Co. Man will Verluste vermeiden und setzt auf Unternehmen, deren Kurse wenig schwanken.
Auch wenn wenig zyklische Aktien aus dem Bereich der Ernährung, Gesundheit und täglicher Hygiene eine gute Strategie im Depot sind, Qualität hat mittlerweile ihren Preis. Für Aktien dieser Branchen werden mittlerweile Bewertungen bezahlt, die eigentlich nur für Wachstumsunternehmen aus dem Technologiesektor üblich sind. Da der Zins nicht mehr als Konkurrenz existiert, reicht es aus, wenn das Unternehmen ein verständliches und stabiles Geschäftsmodell vorweisen kann. Fundamentaldaten verlieren an Bedeutung.
Es gibt sie aber dennoch: Unterbewertete und wenig beachtete Nebenwerte in Europa, die noch preiswert sind und von der Konjunkturentwicklung gut profitieren werden. Eine Zinswende wird einhergehen mit einer fortgesetzt guten konjunkturellen Entwicklung. Das gibt den eher binnenorientierten Nebenwerten weiter Rückenwind.
Gewinner und Verlierer der Zinswende
Zu den Gewinnern eines Zinsanstieges könnten europäische Finanzinstitute werden. Die Kurse großer europäischer Banken haben in den vergangenen zehn Jahren teils 70 Prozent und mehr verloren. Steigende Zinsen entlasten gesunde Banken. Der digitale Wandel trifft zwar auch gerade die Finanzindustrie. Doch einige Institute sind schon sehr weit im Umbau. US-Banken mit starkem Vermögensmanagement, wie eine JP Morgan, zeigen wie es geht. Sie legten in den vergangenen zehn Jahren weit über 100 Prozent zu.
Meiden sollte man hingegen die potenziellen Verlierer einer Zinswende. Dazu zählen allen voran Unternehmen, die in der Regel hoch fremdfinanziert sind, wie Immobiliengesellschaften. Diese könnten ihre beste Zeit gesehen haben.
Keine großen Rücksetzer zu erwarten
Die Aussichten bleiben für Aktien insgesamt aber gut. Die Stimmung der deutschen Wirtschaft ist spitze. Die Stimmung an der Börse ist verhalten optimistisch. Die Kombination passt. Wären die Marktteilnehmer euphorisch, sollte man sich auf einen deutlichen Rücksetzer einstellen. Zinsängste, die Sommerpause und die optisch hohen Kurse lassen viele Marktteilnehmer vorsichtig bleiben.
Auch auf europäischer Ebene sieht es gut aus: Die Wirtschaft Europas bietet großes Potenzial bei anhaltender Unterstützung durch die Nullzinspolitik der Notenbank. In Frankreich wird sich Macron als erstes den Arbeitsmarkt vornehmen und diesen flexibilisieren. Nach der Bundestagswahl in Deutschland wird für Europa noch mehr Positives passieren. Es dürfte sich also lohnen Europa im Depot weiter ein Übergewicht zu geben.
Kolumne von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerischen Vermögen AG, Altötting