Der unaufhaltsame Abstieg

23.03.2015

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Fast genau 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid hat Südafrika den Rang als wirtschaftliche Vormacht des Kontinents an Nigeria verloren, die Republik am Kap ist trotz ihres immensen Startvorsprungs auf den zweiten Rang abgerutscht.

Ein Grund liegt in der von den weißen Herren geerbten Wirtschaftsstruktur. Mehr Gewicht haben aber die Fehler und Unzulänglichkeiten der Nachfolger Nelson Mandelas, dessen Erbe bereits weitgehend verspielt ist.

Dass Vuyo Mvoko Opfer eines Straßenraubs im Zentrum Johannesburgs wurde, bei dem er mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurde, sein Handy herzugeben, ist nichts Besonderes in Südafrika. Aufmerksamkeit erhielt sein Fall nur, weil Vuyo Mvoko Reporter des staatlichen südafrikanischen Rundfunks SABC ist und gerade mit seinem Team einen Bericht über die Behandlung des sambischen Präsidenten Edgar Lungu im Johannesburger Milpark Hospital lieferte, als er sein Handy hergeben musste. Er wurde vor laufender Fernsehkamera ausgeraubt. Diese Episode wirkt wie ein ironischer Kommentar auf die starken, oft gewalttätig ausgetragenen, sozialen Spannungen in Südafrika. Die Arbeitslosigkeit ist hoch (konstant um 25 %) und trifft vor allem die schwarze Mehrheit. Aufgrund einer tief sitzenden Wachstumsschwäche wird sich daran auf absehbare Zeit auch nichts ändern, 1,5% Wachstum im letzten und kaum mehr als 2% im laufenden Jahr sind einfach zu wenig.

Südafrika hat aus der Apartheid eine schwierige Wirtschaftsstruktur geerbt, die

stark anhängt von einigen großen Industriekomplexen.

Neben diesen verlängerten Werkbänken des Auslands existiert ein sehr schwach entwickelter Unterbau aus kleineren und mittleren gewerblichen Unternehmen, die für die Industrie als Dienstleister und Zulieferer tätig sind. Folge war und ist eine seit den 60er Jahren unverändert schwache Kapitalbildung, die durch Güter- und Kapitalimporte ausgeglichen werden muss. Die weißen Herren konzentrierten ihre unternehmerische Initiative eben vor allem in der Landwirtschaft. Die von der weißen Vorherrschaft verursachte Schwäche wurde ausgeglichen, indem die heimische Währung, der Rand, als international gefragte Anlagewährung etabliert wurde. Auch viele deutsche Anleger hatten und haben solche Papiere, die traditionell eine stabile Währung bei etwas höheren Zinsen boten. Damit war die Finanzierung der Defizite Südafrikas relativ leicht und risikoarm möglich. Dieses Rezept funktioniert aber nur, wenn die Wirtschaft auch tatsächlich läuft. Und davon kann kaum mehr die Rede sein.

Die Misere hat mittlerweile die Energieversorgung unterminiert.

Die Bergbaugesellschaften sind schon seit längerem von Produktionsstopps aufgrund von Stromsperren betroffen. Im letzten Jahr griff dieses Problem auf das allgemeine Netz über. So leben die Bewohner der Wirtschaftsmetropole Johannesburg bereits seit einem halben Jahr mit einem Stundenplan, in dem die Stromsperren stundenweise auf die einzelnen Teile des Stadtgebiets verteilt werden. Ursache waren Wartungs- und Reparaturarbeiten in den einzelnen Kraftwerksblöcken, die nicht mehr aus den Reserven aufgefangen werden können. Seitdem gehören Stromsperren zum Alltag, was verheerende Konsequenzen hat: Die Unternehmen von Hotels und Gastronomie bis hin zur verarbeitenden Industrie versuchen natürlich diese Stromausfälle auszugleichen, in der Regel durch Diesel-Generatoren. Damit werden zum einen Investitionsmittel gebunden, die besser zu verwenden wären, und zugleich neue Belastungen für den Verkehr geschaffen: Der Dieselverbrauch steigt sprunghaft, was zur Überlastung der von Straßen und Gleisen durch die wachsenden Transportmengen führt.

Dieser alltägliche Niedergang trägt ebenso zu Schärfe und Erbitterung in den sozialen Konflikten bei wie die grassierende Korruption.

Die beginnt ganz oben beim Präsidenten Jacob Zuma, der einer Verurteilung in einem Rüstungsskandal nur entging, weil sich sein Amtsvorgänger und Rivale Thabo Mbeki allzu heftig ins Verfahren einmischte. Die Richter sahen ihre Unabhängigkeit gefährdet und sich daher zur Einstellung gezwungen. Ein von Wirtschaftsprüfern im Rahmen des Verfahrens gelieferter Bericht über Zumas Einbindung in die Schmiergeldströme ist allerdings öffentlich verfügbar und eindeutig. Seit er im Amt ist, kamen Vorwürfe hinzu, die auf einen Missbrauch öffentlicher Mittel zu privaten Zwecken hinauslaufen. Die als Public Protector (eine Art Ombudsmann) amtierende Thuli Madonsela hatte nach einer Untersuchung dieser Vorwürfe die Rückzahlung eines zweistelligen Millionenbetrags von Zuma gefordert. Sie wird seitdem scharf angefeindet und neuerdings mit Spionagevorwürfen konfrontiert, die wohl ihre bevorstehende Ablösung rechtfertigen sollen. Diese Ablösung hat ein Regionalchef der Anti-Korruptionseinheit der Polizei (IPID) bereits erhalten, offenbar war er mit seinen Ermittlungen Zuma-Vertrauten zu nahe gekommen. Die Korruption ist so lukrativ geworden, dass auf lokaler Ebene mitunter über die Funktionärsposten der Regierungspartei ANC und die kommunalen Mandate per Schießerei im Stil eines Bandenkrieges entschieden wird.

Das Institut der südafrikanischen Wirtschaftsprüfer schätzt den Schaden durch Korruption in den letzten 20 Jahren (seit dem Ende der Apartheid) auf ca. 700 Mrd. Rand.

Und das dürfte wohl noch untertrieben sein, denn diese Praktiken haben zu einer scharfen Polarisierung der Gesellschaft bis hin zur Spaltung der Gewerkschaften in ANC-nahe und -kritische geführt – mit tödlichen Folgen: Der vom Bergarbeiterführer und ANC-Funktionär zum Vorstand einer Minengesellschaft gewandelte Cyril Ramaphosa erreichte offenbar durch seinen politischen Einfluss, dass die Polizei mit Gewalt gegen einen Bergarbeiterstreik vorging, der von einer ANC-kritischen Gewerkschaft geführt wurde. Dies wiederum führte im August 2012 zum Massaker von Marikana, bei dem 44 Arbeiter von der Polizei erschossen wurden.

Unterm Strich bleibt festzuhalten: Der Niedergang Südafrikas ist politisch verursacht und wäre nur aufzuhalten, wenn die ANC-Vormacht gebrochen werden könnte, was vorläufig ausgeschlossen werden kann. (mk)

Südafrika - Printausgabe 02/2015