Zunehmende Wasserknappheit wird zu Produktivitäts- und Beschäftigungsverlusten führen
20.03.2023
Marcus Weyerer, CFA, Senior ETF Investment Strategist, EMEA / Foto: © EMEA
Um die katastrophalen Folgen der globalen Erwärmung zu vermeiden, hat sich die Welt im Jahr 2015 mit dem Pariser Abkommen verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 bis 2 Grad Celsius zu begrenzen. Um die vertraglich festgelegten Ziele von Paris zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen gegen Mitte des Jahrhunderts auf Null sinken und danach wahrscheinlich sogar netto negativ sein. In Zahlen: Der Weltklimarat schätzt, dass es sich die Menschheit leisten kann, knapp 400 zusätzliche Gigatonnen CO₂ in die Atmosphäre zu blasen, um die Pariser Ziele einzuhalten – das sogenannte Emissionsbudget. Wenn man diese Zahl ins Verhältnis setzt, darf die Welt im Jahr 2030 etwa 33 Gt CO₂ ausstoßen. Die derzeitige Politik deutet jedoch darauf hin, dass die Welt dann etwa 58 Gt CO₂ emittieren wird. Die Differenz von 25 Gigatonnen oder 43 Prozent ist die so genannte Emissionslücke.
Warum ist das wichtig?
Zahlen wie diese sind abstrakt, aber die Folgen sind real. Bei dem derzeitigen Emissionspfad wird die globale Erwärmung etwa 2,7 Grad Celsius betragen, vielleicht sogar mehr, wie die Internetplattform Climate Action Tracker nachweist. Die Menschheit erlebt bereits jetzt einen Anstieg des Meeresspiegels, häufigere extreme Wetterereignisse, den Verlust der biologischen Vielfalt und andere negative Auswirkungen, die nur noch schlimmer werden. Die sozialen und wirtschaftlichen Kosten eines Erwärmungsszenarios von über 2 Grad Celsius werden voraussichtlich immens sein. Ein Bericht von Deloitte prognostiziert einen Schaden von 178 Billionen US-Dollar für die Weltwirtschaft über einen Zeitraum von 50 Jahren, wenn der Klimawandel ungebremst bleibt. Nahrungsmittel- und Wasserknappheit sowie ein noch nie dagewesener Verlust an Produktivität und Beschäftigungsmöglichkeiten könnten dazu führen, dass die Lebensgrundlage der Menschen – und ihr Leben – in Scherben fällt.
Die Klimarisiken, denen Unternehmen heute ausgesetzt sind, werden in physische Risiken und Übergangsrisiken eingeteilt. Die erste Kategorie wird wiederum in zwei Arten von Gefahren unterteilt: akute und chronische. Zu den akuten Gefahren gehören Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren, während chronische Gefahren aus langfristigen Veränderungen wie dem Anstieg des Meeresspiegels resultieren. Wichtige Triebkräfte für Übergangsrisiken sind regulatorische Änderungen wie Steuererhöhungen oder Verbote bestimmter Produkte, aber auch technologische Veränderungen und vor allem ein verändertes Verbraucherverhalten und gesellschaftlicher Druck.
Nicht alle Sektoren, Unternehmen und sogar Einrichtungen sind diesen Risiken in gleichem Maße ausgesetzt sind und daher unterschiedlich anfällig für den Klimawandel sind. Die Gewinne der Unternehmen werden auf verschiedene Weise beeinträchtigt, und die Wirtschaft insgesamt wird stark in Mitleidenschaft gezogen. Letztendlich wird sich diese Entwicklung auch auf die Finanzmärkte und damit auf die Renditen der Anleger auswirken.
Der Wandel bringt Chancen
Genauso wie Anleger die Risiken berücksichtigen sollten, entstehen indes auch Chancen, die sich aus einem veränderten regulatorischen Umfeld und dem Verbraucherverhalten ergeben. Der Global Turning Point Report von Deloitte schätzt, dass das globale BIP bis 2070 um 43 Billionen US-Dollar steigen wird, wenn die Regierungen einen systemischen Netto-Null-Umstieg ermöglichen.
Im Jahr 2022 wurde die Energiewende durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine beschleunigt, der zusätzlich zum bestehenden Klimaargument (leider) ein Element geopolitischer Dringlichkeit hinzugefügt hat. Es stimmt zwar, dass Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel ein kostspieliges Unterfangen sind, aber die Nebeneffekte des Klimaschutzes, wie die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit durch eine veränderte Ernährung und bessere Luftqualität, übersteigen wahrscheinlich die direkten Kosten. Berücksichtigt man die klimabedingten Schäden, die im schlimmsten Fall bis zu 50 Prozent des globalen BIP-Basiswachstums ausmachen könnten, wie das UN Environment Programme kalkuliert, so wird deutlich, dass es sich lohnt, den Klimawandel einzudämmen. Das gilt für die Gesamtsituation; die Ergebnisse für bestimmte Sektoren und einzelne Unternehmen werden allerdings viel stärker variieren und klare Gewinner und Verlierer hervorbringen.
Das soll nicht heißen, dass das Fortkommen eines Unternehmens allein davon abhängt, wie gut oder schlecht es sich auf das Management von Klimarisiken vorbereitet – aber es wird zweifellos ein wesentlicher Faktor sein.
Weiter auf Seite 2