„Zinseszinseffekt ist wirklich das sogenannte 8. Weltwunder“

27.05.2020

Francois de Bruin, Fondsmanager des Aviva Investors Sustainable Income and Growth Fund / Foto: © Aviva Investors

finanzwelt: Wie setzen Sie Income in Ihren Fonds um? (Titelauswahl)

de Bruin: Im Aviva Investors Sustainable Income & Growth Fonds streben wir eine hohe Bruttorendite von 5 Prozent an und versuchen dann, das langfristige Wachstum auf diesem Niveau zu maximieren. Wenn die Märkte steigen und die Renditen sinken, sind wir in der Regel defensiver und besitzen einen höheren Anteil an globalen Hochzins- oder Schwellenländeranleihen. Wenn die Märkte jedoch fallen und die Renditen anschließend steigen, ermöglicht uns das eine höhere Allokation in Wachstumswerte wie Aktien und Real Assets vorzunehmen und trotzdem noch unser 5-Prozent-Ziel zu erreichen. Dieser Ansatz bringt ein gesundes Maß an Gegensätzlichkeit mit sich, da wir in der Regel defensiver sind, wenn der Markt übermäßig optimistisch ist, und Beteiligungen an wachstumsorientierten Unternehmen aufstocken, wenn die Kurse fallen. Auch wenn wir vielleicht intuitiv zunächst anders entscheiden würden.

finanzwelt: In welche Anlageklassen investieren Sie derzeit hauptsächlich?

de Bruin: Wir suchen nach nachhaltigen Einkommensquellen aus einer Vielzahl von weltweiten Marktchancen. Dazu zählen Aktien aus Industrie- und Schwellenländern, börsennotierte Immobiliengesellschaften und Real Assets, globale Hochzinsanleihen sowie Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Aktien aus entwickelten Märkten machen mit 37 % den größten Anteil am Fonds aus. Wir sind zudem stets an Anlagemöglichkeiten in kleineren Anlageklassen mit guten Fundamentaldaten interessiert. Die meisten Anleger haben eine relativ niedrige Beteiligung an börsennotierten Immobilien oder Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Wir halten jedoch die hohen, stetig wachsenden sowie vertraglich festgelegten Erträge börsennotierter Immobilien für ein besonders attraktives Merkmal und sind folglich aktuell mit rund 15 % in dieser Anlageklasse investiert. Unternehmensanleihen aus Schwellenländern machen weitere 14 % des Fonds aus. Wir investieren nur in auf US-Dollar oder Euro lautende Hartwährungsanleihen. Die von uns ausgewählten Unternehmen profitieren oft von einem stärkeren US-Dollar, da sie ihre Einnahmen durch Export erzielen.

finanzwelt: Wird Income, selbst vor dem aktuellen Hintergrund (Corona, Dividendenkürzungen etc.), auch in der zweiten Jahreshälfte ein zentrales Thema bleiben?

de Bruin: Angesichts der aggressiven Zinssenkungen der Zentralbanken und der Tatsache, dass viele Unternehmen gezwungen sind, ihre Dividenden zu kürzen oder auszusetzen, ist es so schwierig wie nie zuvor, ein attraktives Level nachhaltigen Einkommens zu erzielen. Die global aggregierten Anleiherenditen liegen bei geringen 1 %, obwohl die Spreads an den Kreditmärkten gestiegen sind. Aktien-Terminkontrakte preisen derzeit Dividendenkürzungen von über 43 % für den europäischen Aktienmarkt in diesem Jahr ein, wobei mehr als ein Drittel aller Unternehmen bereits Dividendenzahlungen kürzen, aussetzen oder verzögern. Insgesamt werden Income Investments also voraussichtlich auch in diesem Jahr ein zentrales Thema bleiben. Es ist jedoch erwähnenswert, dass sich COVID-19 auf Unternehmen und Sektoren auf der ganzen Welt sehr unterschiedlich auswirkt. Es sind auch andere Auswirkungen zu bedenken, wie das potenzielle moralische Risiko, Aktionäre mit Dividenden zu belohnen und gleichzeitig Arbeitnehmer zu entlassen. Wir besitzen nur 67 Beteiligungen in unserem gesamten Fonds, was es uns ermöglicht, jeden einzelnen Fall zu prüfen. Das macht uns zuversichtlich, auch in diesem Jahr und darüber hinaus unsere 5 Prozent-Ziel erreichen zu können. Die Situation ist komplex und dynamisch. Daher ist es für uns wichtig, alle Erkenntnisse und Expertisen aus unserem globalen Unternehmen zu nutzen, um Risiken zu steuern und von Chancen zu profitieren. (ah)