Wohnungsmarkt entwickelt sich überdurchschnittlich

06.10.2020

Markt von Krise unbeeinflusst

Die Anti-Corona-Maßnahmen haben für viele Menschen gravierende wirtschaftliche Folgen. Auf dem Wohnimmobilienmarkt ist davon bislang noch wenig zu spüren. „Bei Mietausfallquoten von rund einem Prozent war auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt in den ersten sechs Monaten nach Ausbruch der Pandemie kein signifikanter Anstieg der Mietstundungen zu beobachten“, berichtet Helge Scheunemann. „Auch die Befürchtung, dass der Herbst die eigentliche Bewährungsprobe für den Arbeitsmarkt sein und damit zu vermehrten Mietausfällen führen würde, konnte bis dato nicht bestätigt werden. Die langfristigen konjunkturellen Folgen der Pandemie sind jedoch nach wie vor stark davon abhängig, ob es zu einem erneuten Lockdown kommt. Obwohl sich die wirtschaftlichen Aussichten in letzter Zeit aufgehellt haben, bleibt das Mietwachstumspotenzial in diesem Segment kurzfristig aber begrenzt.“ Die wirtschaftlichen Folgen von Corona würden sich in zweierlei Hinsicht auf den Wohnimmobilienmarkt auswirken. So werde einerseits aufgrund des Konjunktureinbruchs mit einer stagnierenden Einkommensentwicklung gerechnet, andererseits sei die Zuwanderung in die Ballungszentren deutlich zurückgegangen, während des Neuangebot in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut wurde. Durch diese Entwicklung sei der Nachfrageüberhang vorerst etwas entschärft worden. „Entscheidend für die Attraktivität von Investments in Wohnimmobilien sind derzeit vielmehr die stabilen Erträge und das langfristige Wachstumspotenzial. Dies zeigt sich zum Beispiel am Berliner Wohninvestmentmarkt, der zwar von wohnungspolitischen Spannungen geprägt ist, der aber dennoch im dritten Quartal der Investitionsschwerpunkt und damit der wichtigste deutsche Standort im Wohnimmobilien-Investmentmarkt bleibt“, erläutert Konstantin Kortmann. In Berlin wurden im dritten Quartal Wohnimmobilien im Wert von 1,51 Mrd. Euro gehandelt, deutlich mehr als in allen anderen deutschen Städten. „Für viele Investoren überwiegt hier das langfristige Potenzial die Nachteile der derzeitigen Unsicherheit durch die wohnungspolitischen Interventionen“, so Kortmann. Mit deutlichem Abstand folgen Hamburg mit 201 Mio. Euro, die Region Rhein-Neckar mit 141 Mio. Euro, Kassel mit 107 Mio. Euro und München mit 63 Mio. Euro.

Ausländische Käufer in der Überzahl

In diesem Jahr kamen 55 % der Kapitalströme aus dem Ausland. Damit wurde der Fünfjahresdurchschnitt von 21 % deutlich übertroffen. Entscheidend hierzu beigetragen hat die Übernahme der Adler Real Estate durch die israelische ADO Properties SE. Diese hat dazu beigetraten, dass israelische Investoren mit 6 Mrd. Euro an der Spitze der ausländischen Investoren stehen. Mit deutlichem Abstand folgt Schweden, von in diesem 1,09 Mrd. Euro in den deutschen Wohnimmobilienmarkt flossen. Deutlich die Milliardenmarke verfehlt haben die Investitionen US-amerikanischer (580 Mio. Euro), Schweizer (470 Mio. Euro) und britischer Investoren (400 Mio. Euro). Dass die ausländischen Investoren in diesem Jahr einen deutlich höheren Anteil als in den vergangenen Jahren hatten, liegt auch an der Zurückhaltung einheimischer Kapitalanleger.

Die größten Investoren waren in diesem Jahr Spezialfonds, die Immobilien im Gesamtwert von 1,07 Mrd. Euro erwarben. Das zweitmeiste Kapital kam von Asset-/ Fondsmanagern, die insgesamt 711 Mio. Euro investierten. Kommunale und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften liegen mit ca. 647 Mio. Euro auf dem dritten Platz.

Corona verändert auch die Nachfrage

Ein Dach über dem Kopf zu haben gehört seit tausenden von Jahren zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Deshalb beweisen Wohnimmobilien in Wirtschaftskrisen immer wieder ihre Resilienzfähigkeit. Die aktuelle Corona-Pandemie hat auch anderweitig dafür gesorgt, dass das Konsumgut Wohnen zunehmend in den Fokus des Interesses rückt: Einerseits durch die strukturellen Veränderung auf dem Arbeitsmarkt durch die vermehrte Nutzung von Homeoffice, andererseits durch ein verändertes Bewusstsein aufgrund der wochenlangen Ausgangsbeschränkungen. So hat der Lockdown indirekt zu einer erhöhten Nachfrage nach bestimmten physischen Wohnraummerkmalen wie eigene Außenflächen und zusätzlicher Wohnraum geführt. Diese Veränderungen lassen laut JLL auch die Aufmerksamkeit von Investoren anderer Assetklassen vermehrt auf das Wohnsegment lenken. Zwar standen im vergangenen Dreivierteljahr die sieben A-Städte nach wie vor im Mittelpunkt der Investitionstätigkeit und vereinten einen Anteil von 58 % am Gesamtvolumen auf sich, aber auch andere Regionen rücken vermehrt in den Fokus, bspw. erstklassige B- und C-Märkte wie Nürnberg, Darmstadt oder Kiel. „Wir gehen deshalb davon aus, dass mittelfristig das Preisgefälle vielerorts zunehmen wird. Und für das Transaktionsvolumen 2020 halten wir wegen der vielfältigen Argumente für Investitionen in Wohnimmobilien das Potenzial für hoch, bis Ende des Jahres die 20-Milliarden-Euro-Marke wieder überschreiten zu können“, so Konstantin Kortmann. (ahu)