Wohngebäudeversicherung: Keine Leistungskürzung wegen Brand durch ungenehmigten Kamin (OLG Hamm)

10.05.2022

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Das OLG Hamm wies die Berufung eines Wohngebäudeversicherers zurück, der seine Leistung kürzen wollte, weil der Versicherungsnehmer ohne Genehmigung einen Kamin betrieb und es infolgedessen zu einem Brand kam (OLG Hamm, Hinweisbeschluss v. 31.05.2021 – 20 U 63/21)

Der Sachverhalt vor dem OLG Hamm

Die Parteien stritten darüber, ob der Versicherer einer Wohngebäudeversicherung seine Leistung deshalb kürzen darf, weil der Versicherungsnehmer einen Kamin ohne eine Baugenehmigung und Abnahme durch feuerkundiges Personal betrieb. Beim Betrieb des Kamins kam es zu einem Brand im Dachstuhl. Der beklagte Wohngebäudeversicherer beruft sich darauf, dass der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag verletzt hat.

In Ziff.18 VGB 2008 lautet es auszugsweise:

„18 Welche Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall (Sicherheitsvorschriften) haben Sie zu beachten?

18.1 Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Sie haben

18.1.1 alle gesetzlichen, behördlichen oder vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten […]“

Das OLG Hamm hatte zu klären, ob die Nichtbeachtung behördlicher Brandschutzvorschriften zu einer Leistungskürzung nach §§ 26, 28 VVG berechtigt ist. Zwar nahm das OLG Hamm eine Obliegenheitsverletzung an, wies die Ursächlichkeit für den Schadenseintritt aber zurück.

Die rechtliche Bewertung: Obliegenheitsverletzung?

Vom OLG zu prüfen war, ob eine Brandverursachung durch einen nicht baurechtlich genehmigten Kamin allein deshalb zur Leistungskürzung des Versicherers berechtigt, weil dieser nicht rechtmäßig genehmigt bzw. abgenommen wurde. Unstreitig wurde der Brand ursächlich für die Beschädigung des Dachbodens. Eine Leistungskürzung der Versicherungsleistung ist aber nur dann statthaft, wenn der Schaden auf einer Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflichten (Obliegenheiten) des Versicherungsnehmers beruht.

Für eine Obliegenheitsverletzung ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang zwischen der geschaffenen Gefahrenlage und der eingetretenen Schadensfolge bestehen muss. Dieser Zusammenhang liegt dann vor, wenn eine Obliegenheit, die die Brandentstehung verhindern soll, aufgrund des Verstoßes gegen eine brandschutzdienende Sicherheitsvorschrift verwirklicht wird („Schutzzweckzusammenhang“).

In der BauO (§ 42 Abs. 7 BauO NRW) ist normiert, dass Feuerungsanlagen durch Schornsteinfeger abzunehmen sind. Als der Versicherungsnehmer keine Abnahme durch einen Schornsteinfeger vornehmen ließ und die Anlage ohne Genehmigung betrieb, verletzte er eine brandschutzdienende Sicherheitsvorschrift und somit eine feuerabwehrende Obliegenheit. Insofern ist eine Leistungskürzung durch den Versicherer möglich.

Volle Versicherungsleistung trotz Obliegenheitsverletzung? Kausalitätsgegenbeweis.

Steht wie vorliegend fest, dass der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit des Wohngebäudeversicherungsvertrags verletzt hat, so besteht aber immer noch die Möglichkeit des Versicherungsnehmers den Kausalitätsgegenbeweises nach § 28 Abs. 3 VVG zu führen. Demnach bleibt die Leistungspflicht des Versicherers bestehen, wenn die Obliegenheitsverletzung nicht ursächlich für den Schaden wurde.

Eindeutig war nur, dass der Brand ursächlich für den Schaden wurde. Es müsste aber gerade die Obliegenheitsverletzung, die Inbetriebnahme eines Kamins ohne Genehmigung, schadensursächlich geworden sein. Es reicht für die Annahme eines schadensursächlichen Verhaltens aber nicht aus, dass der Versicherungsfall nicht eingetreten wäre, wenn man die Obliegenheitsverletzung wegdenkt. Der Versicherungsnehmer kann dadurch seinen Leistungsanspruch erhalten, indem er nachweist, dass der Schaden in der Form mit Sicherheit auch entstanden wäre, wenn alle Sicherheitsvorschriften beachtet worden wären. Der Schadensgutachter hat festgestellt, dass der Kamin keine Mängel hatte.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Im Umgang mit Risiken der Wohngebäudeversicherung sind die Versicherungsnehmer gut beraten, wenn sie die Obliegenheiten des Vertrags wahren. Eine Obliegenheitsverletzung kann zur Leistungskürzung führen. Insbesondere liegt ein solcher Sorgfaltsverstoß nahe, wenn gegen gesetzliche Sicherheitsvorschriften verstoßen wird. Im Falle eines Konflikts sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden, damit keine Ansprüche vereiteln.

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Kolumne von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke Fachanwalt für Versicherungsrecht Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Fachanwalt für Informationstechnologierecht Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB