Wirtschaftlicher Unverstand
27.06.2018
Michael Beck, Leiter Asset Management Ellwanger & Geiger / Foto: © Ellwanger & Geiger
Die internationalen Aktienmärkte stehen vor entscheidenden Wochen. Langjährige charttechnische Gegebenheiten trüben sich ein und reihenweise sind die Indizes unter ihre 200-Tage-Linien abgetaucht. Nun kann der ein oder andere Marktteilnehmer diese Chart-Informationen für Kaffeesatzleserei halten, aber immer mehr automatisierte Handelssysteme agieren nach diesen Gesetzmäßigkeiten. Selbstverstärkende Bewegungen können die Folge sein und größere Korrekturen auslösen. Ob diese Informationen nun nützlich sind oder nicht, mag jeder beurteilen, wie er möchte. Als Auslöser der bisher erlebten Kurskorrekturen kann auf jeden Fall ein Umstand identifiziert werden: die wirtschaftliche Inkompetenz von politischen Führern einflussreicher Länder. Der gerade neu gewählte türkische Präsident Erdogan in der Türkei schwächt seit Monaten seine Währung und verprellt internationale Investoren in einer Weise, die auch dazu beiträgt, Schwellenländern generell Misstrauen entgegenzubringen. Und der 45. US-Präsident Donald Trump zeigt sich immer beratungsresistenter, was seine nationalistische Wirtschafts- und Handelspolitik angeht. Die Zollstreitigkeiten, die zu einem Handelskrieg der USA mit dem Rest der Welt auszuarten drohen, erreichen nun endgültig die Aktienmärkte, auch an der Wall Street.
Nach langen Jahren haben die Börsenkurse Bewertungsniveaus erreicht, die stetig durch entsprechende Unternehmensgewinnwachstumszahlen unterstützt werden müssen. In dem Maße, in dem das Weltwirtschaftswachstum durch die Handelsbeschränkungen beschnitten wird, kann sich jeder ausrechnen, dass diese steigenden Unternehmensgewinne nicht realisierbar sind. Auch und gerade nicht in den USA, denn die US-Wirtschaft ist ebenso international vernetzt und von anderen Wirtschaftsregionen abhängig wie die europäischen oder asiatischen Volkswirtschaften. Es scheint dringend geboten, dass die US-Wirtschaft den Druck auf die Trump-Administration erhöht, um weitere Eskalationen zu verhindern. Ansonsten steht den internationalen Kapitalmärkten ein heißer und unruhiger Sommer bevor.
Kolumne von Michael Beck, Leiter Asset Management ELLWANGER & GEIGER KG