Wirecard: Musterverfahren gegen Ernst & Young
15.03.2022
Peter A. Gundermann Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: ©TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) ist ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz eingeleitet worden. Die TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erwirkt einen Vorlagebeschluss beim Landgericht München I.
Gestern hat das Landgericht („LG“) München I den Vorlagebeschluss nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz („KapMuG“) gegen u.a. Ernst & Young wegen Anlegerklagen im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal erlassen. Diesen hatte TILP beantragt. Damit ist das Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht eröffnet (Beschluss vom 14.03.2022, Az. 3 OH 2767/22 KapMuG).
Der Beschluss umfasst alle von TILP beantragten Feststellungsziele zu diversen Pflichtverletzungen von EY. Dazu zählt z.B. die Beihilfe zu unterlassenen und falschen Ad-hoc-Mitteilungen sowie falschen Geschäftsberichten der Wirecard AG. Er basiert auf Musterverfahrensanträgen, die TILP bereits ab Mai 2020 beim LG München I gestellt hatte, um das Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem KapMuG einzuleiten. „TILP hat in den vergangenen Monaten alles dafür getan, um die formellen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Musterverfahrens zu erfüllen. Damit war ein Vorlagebeschluss nach dem KapMuG zwingend zu erlassen.“, erklärt TILP-Partner Peter Gundermann.
Rund 70 Feststellungsziele auf Klägerseite
Der Vorlagebeschluss kommt auf eine Länge von 28 Seiten. Er beinhaltet Feststellungsziele, welche im Rahmen des Musterverfahrens von dem dann zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht zu beantworten sind. Der Vorlagebeschluss stellt also quasi das Arbeitsprogramm für das Musterverfahren dar. Insgesamt enthält der Vorlagebeschluss rund 70 Feststellungsziele auf Klägerseite. Die von TILP beantragten Feststellungsziele wurden sämtlich in den Beschluss übernommen.
Die Kanzlei TILP ist auf das Führen von Musterverfahren nach dem KapMuG spezialisiert. Dieses spezielle Gesetz wurde aufgrund der von TILP im Jahr 2001 mitinitiierten Telekom-Klagen geschaffen, um eine Vielzahl von Klägern in einem Musterverfahren zu bündeln. Derartige Verfahren erhöhen die Erfolgschancen der Anleger deutlich, da es die Kräfte aller Anleger bündelt und erhebliche Kostenvorteile bietet. Auch eröffnet es eine Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Bundesgerichtshof. Seit Novellierung des KapMuG im Jahr 2012 hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer solcher Musterverfahren zudem deutlich reduziert. TILP vertritt u. a. die jeweiligen Musterkläger in den Verfahren gegen die Volkswagen AG (TILP Litigation), die Mercedes Benz Group AG und die Hypo Real Estate Holding AG.
"Strategie ist damit aufgegangen"
„Unsere Anträge auf Einleitung des Kapitalanleger-Musterverfahrens waren allein schon deshalb geboten, da sich im Verfahren gegen EY zahlreiche Tatsachen- und Rechtsfragen stellen, die für viele Anlegerklagen entscheidungsrelevant sind.“, erläutert TILP-Partner Martin Kühler. „Unsere Strategie einer kosten- und verfahrenseffizienten Prozessführung für Mandanten ist damit aufgegangen“, fährt Kühler fort.
Nach dem rechtlichen Prüfergebnis von TILP hat sich EY u.a. wegen mehrerer Pflichtverletzungen gegenüber den Aktionären und Anleiheerwerbern der Wirecard AG schadenersatzpflichtig gemacht. Betroffen sind vor allem Erwerbe von Aktien, Anleihen und Derivaten auf die Wirecard-Aktie im Zeitraum vom 24. Februar 2016 bis einschließlich 18. Juni 2020, 10:43 Uhr.
TILP vertritt im Wirecard-Bilanzskandal mehrere tausend Anleger. Zu der Info-Plattform, auf der sich geschädigte Anleger und Investoren kostenfrei registrieren können, geht es hier.