Wie glaubwürdig sind Immobiliengesellschaften?
19.08.2020
Michael Werner, Sustainability Advisor mit 20-jähriger Erfahrung & artner bei der RSFC Re’public Sustainable Finance Consulting / Foto: © Re’public Sustainable Finance Consulting
finanzwelt: Welche Herausforderungen hinsichtlich Nachhaltigkeit haben Immobiliengesellschaften zu meistern? Werner» Die größte Schwierigkeit für Unternehmen ist generell, dass es sich bei dem Begriff Nachhaltigkeit nicht um ein feststehendes Schema von Anforderungen handelt, sondern eher um ein Konstrukt, welches im Laufe der Zeit neue Themen hervorbringt und zudem auch noch kulturell unterschiedlich verankert ist. Zur Veranschaulichung zwei Beispiele: Den Namen Rana Plaza kennen die meisten seit 2013. Der Einsturz dieser Fabrik mit mehr als 1.000 Toten hat die Diskussion über Nachhaltigkeit massiv geprägt. Unternehmen müssen mehr Verantwortung für die Lieferkette übernehmen; wir erwarten nun eine gesetzliche Regelung dazu in Deutschland. Das Treffen der Staatengemeinschaft in Paris hat zu einem Commitment für Klimaschutz geführt. Sie sind gefordert, Klimastrategien zu entwickeln. Dabei ersetzt das eine Thema nicht das andere, sondern ich muss mich um beide kümmern – und morgen kommt ein weiteres Thema hinzu. Für die Immobilienwirtschaft kommt aus meiner Sicht erschwerend dazu, dass die Unternehmen je nach Geschäftsmodell ganz unterschiedliche Anforderungen zu bewältigen haben. Bestandshalter etwa müssen andere Aspekte in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie priorisieren als etwa reine Entwickler. Geht es bei dem einen z. B. eher um Quartiersmanagement, sozialen Zusammenhalt und die Bezahlbarkeit von Wohnraum, müssen sich die anderen schwerpunktmäßig mit der Materialauswahl, den Arbeitsbedingungen auf Baustellen befassen. Lieferketten insbesondere in der Bauphase sind sehr komplex und teils kleinteilig. Diese im Blick zu behalten und dort Standards durchzusetzen, ist eine große Herausforderung, aber aus meiner Sicht notwendig. Denn ein Fehlverhalten hier birgt erhebliche Reputationsrisiken, für die Immobiliengesellschaft, aber auch für den Investor.
finanzwelt: Als Partner der Re’public Sustainable Finance Consulting haben Sie einen Quick-Check, einen Status-Check für Immobilienunternehmen entwickelt. Was tun Sie da? Werner» Wir ermöglichen es den Immobiliengesellschaften, eine Standortbestimmung zu erhalten, eine Aussage darüber, wo liegen die Stärken und wo gibt es noch Handlungsbedarf. Dabei greifen wir bei der Durchführung auf den DNK zurück. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) ist vom Rat für nachhaltige Entwicklung, einem Beratungsgremium der Bundesregierung, entwickelt worden. Eine Vielzahl von Unternehmen wenden den DNK bereits seit Jahren an, so dass wir gute Vergleichsmöglichkeiten haben. Der Status Check umfasst eine ganze Reihe von Aspekten: die Strategie und die Ziele des Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit, die Aufbau- und Ablauforganisation, Fachthemen wie Umweltauswirkungen, Arbeitsbedingungen, die Lieferkette und einiges mehr. Wo es Sinn macht, schauen wir auch in anderen Standards nach Anforderungen und fragen diese mit ab. Außer dem Ergebnis erhält das Unternehmen noch seinen ‚Trainingsplan‘, mit dem es seine Nachhaltigkeitsfitness steigern kann. (fw)
Info
Dem Immobilienbestand in Deutschland kommt in Fragen des Klimaschutzes eine erhebliche Bedeutung zu. Die Bundesregierung geht davon aus, dass ca. 14 % der gesamten deutschen CO2-Emissionen aus den Gebäuden stammen. Damit ist der Immobiliensektor viertgrößter CO2-Verursacher. Dank energiefreundlicher Neubauten sank der Treibhausgasausstoß des Gebäudesektors zwischen 1990 und 2018 zwar um etwa 44 %. Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung sollen die Gebäude-Emissionen aber bis 2030 um weitere 23 % zurückgehen. Die Bewältigung dieser erheblichen Anforderungen wird der Immobilienwirtschaft nur mit guten Nachhaltigkeitsansätzen gelingen.