Wie geht es in der Türkei jetzt weiter?
06.11.2018
Matthias Siller, Leiter EMEA Equities Team bei Barings / Foto: © Barings
Verbesserung der Leistungsbilanz
Wirtschaftswissenschaftler sind seit langem besorgt, dass das Leistungsbilanzdefizit der Türkei ein Zeichen dafür sein könnte, dass ausländische Kapitalzuflüsse das schnelle Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre finanziert haben. Ein höheres Defizit kann darauf hinweisen, dass das Land verletzlicher gegenüber externen makroökonomischen Schocks ist, die während dieser Periode vermehrter Bedenken von Investoren gegenüber Wachstumsmärkten extrem stark vorherrschten. Obwohl sich die Türkei derzeit in einer Rezession befindet, ist es ermutigend festzustellen, dass das Defizit des Landes zaghafte Anzeichen einer schnellen Neugewichtung zeigt, da der Kursverfall der Lira die Importe drastisch gesenkt und einen ersten monatlichen Überschuss seit 2015 ausgelöst hat. Die schwache Währung hat außerdem die Abhängigkeit der türkischen Wirtschaft von ausländischer Finanzierung verringert und war somit eine unterstützende Maßnahme durch die Steigerung der Netto-Exporte. Dies steht auch im Einklang mit dem traditionellen Überschuss der Türkei bei den Dienstleistungen, der insbesondere in den Sommermonaten vorherrscht, wenn der Tourismus seinen Höhepunkt erreicht. Nun, da die Türkei erste Maßnahmen ergreift, um das Vertrauen wiederherzustellen, kann eine deutliche Erholung Zeit in Anspruch nehmen. Doch jede längere Periode negativer Stimmung beeinträchtigt wahrscheinlich das Vertrauen und die Investitionen in das Land. Die Inflation wird kurzfristig weiterhin Anlass zur Besorgnis geben, da die Türkei sehr abhängig von importiertem Öl ist und durch die erhöhten Rohölpreise beeinträchtigt war, die in Dollar notiert werden und zusätzlichen Druck auf Unternehmen und Verbraucher ausüben. Unserer Ansicht nach sollte die kürzlich implementierte Fiskal—und Geldpolitik die Inflation dämpfen, was eine Grundlage schaffen wird, auf der das Vertrauen der Anleger wachsen kann. Trotz der kürzlichen Ereignisse gibt es unserer Ansicht nach nach wie vor beträchtliche Anlagemöglichkeiten auf dem türkischen Markt, insbesondere in Unternehmen, die über Preissetzungsmacht und starke Bilanzen verfügen. Viele von ihnen sind nun attraktiv bewertet und bieten einen verlockenden Einstieg für Anleger, die bereit sind, eine mittelfristige Perspektive in Kauf zu nehmen.
Martkommentar von Matthias Siller, CFA, Leiter des EMEA Equities Teams bei Barings