Wie Big Data und Deep Learning den Finanzhandel revolutionieren

17.07.2018

Evgeny Kuznetsov, Director of Product Management, Market Data bei Devexperts / Foto: © Devexperts

Hochfrequenzhandel durch künstliche neuronale Netze

Quant-Hedgefonds nutzen Big Data und Deep Learning schon seit Jahrzehnten. Sie arbeiten an künstlichen neuronalen Netzen, um prädiktive Investmentmodelle zu erstellen und die rentabelsten Algorithmen zu ermitteln. Wie oben beschrieben, handelt es sich bei künstlichen neuronalen Netzen um Algorithmen, die ständig dazulernen – wie das menschliche Gehirn. Sie treffen auf Basis historischer Daten Prognosen für die Zukunft.

Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg hat das Big-Data-gestützte elektronische Trading in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen: Nach Schätzungen von Bloomberg beträgt sein Anteil auf dem europäischen Aktienmarkt etwa 40 Prozent und auf dem US-amerikanischen Aktienmarkt circa 55 Prozent des Trading-Volumens. Auf den Terminmärkten ist das Volumen des elektronischen Handels mit Devisen-Futures auf etwa 80 Prozent gestiegen. Trading-Unternehmen, die mit Hochfrequenzhandel-Algorithmen arbeiten, dominieren seit einigen Jahren den US-amerikanischen Aktienhandel.

Beim Hochfrequenzhandel handelt es sich um einen computerbasierten Handel mit Wertpapieren, der kurze Haltefristen und hohe Umsätze aufweist. Dabei kommen Supercomputer zum Einsatz, mit denen man in Sekundenbruchteilen Gewinne auf Dutzenden von elektronischen Märkten erzielen kann. Mittlerweile wird diesen Firmen vorgeworfen, das System auf Kosten anderer auszunutzen.

Große Erfolge des datengestützten Tradings rufen Großinvestoren auf den Plan

Unternehmen wie Renaissance Technologies analysieren für ihren Medallion Fund mithilfe von Algorithmen Unmengen von Daten. Ihr Ziel besteht darin, Hinweise aufzuspüren, die im Trubel der Finanzmärkte untergehen, und Änderungen der Future-, Aktien- und Währungskurse vorherzusagen. Allein dieser Fonds erzielte zwei Jahrzehnte lang (1994–2014) enorme Jahresgewinne, durchschnittlich mehr als 70 Prozent (vor Steuer). Dies entspricht mehr als dem Siebenfachen des durchschnittlichen Jahresgewinns des S&P-500-Indexes. Beim S&P 500 (Standard & Poor’s 500) handelt es sich um einen Aktienindex, der die Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen beinhaltet.

Dieser Erfolg hat in den letzten zehn Jahren die Aufmerksamkeit von Großinvestoren erregt und eine neue Welle von Investitionen ausgelöst, die auf Rechnerleistung setzen. Er ist aber auch einer der Gründe dafür, dass die Rentabilität quantitativer Fonds langsam abnimmt. 2017 sanken viele dieser Fonds sogar unter den S&P-Wachstumswert.

Nachteil des Deep Learning: Es gibt keine schlechten Pokerspieler mehr

Die Ursache liegt auf der Hand: Je mehr Marktteilnehmer mit den Trading-Algorithmen arbeiten, desto ineffektiver werden diese. Um das zu veranschaulichen, sollte man sich mehrere KI-gestützte Systeme vorstellen, die an einem Pokertisch sitzen und versuchen, die anderen zu schlagen. Doch es gibt keine schlechten Pokerspieler mehr. Ähnlich wie beim Poker wurde das „dumme“ Geld bereits vom Markt abgezogen. Um den anderen Spielern gegenüber im Vorteil zu sein, müssen möglichst viele Daten berücksichtigt werden. Und je präziser die Daten, desto größer die Chance, die anderen zu schlagen. Bezogen auf eine Trading-Software heißt das: Nur jene Systeme, die aus ihren Informationsquellen lernen und schneller als andere auf Daten zugreifen, können die Partie gewinnen.

Visualisierung: Augmented Reality und Heatmaps für tiefe Finanzeinblicke

Doch es geht nicht nur um die Auswertung der Daten, sondern auch um deren Visualisierung: Die Unterstützung von Trading- und Datenanalyseplattformen durch Augmented Reality, Heatmaps oder Zoom-Oberflächen ermöglicht Händlern und Investoren die Überwachung und Visualisierung der Finanzmärkte mit einer enormen Informationstiefe. Beim Tragen eines AR-Headsets werden hoch entwickelte holografische Darstellungen der Finanzdaten und -Feeds in das reale Gesichtsfeld des Nutzers eingeblendet. Hierbei gewinnen Trader vollkommen neue Einblicke, was mit 2D-Visualisierungssoftware bislang nicht möglich war. So lassen sich beispielsweise Geschäftschancen und hochaktuelle Entwicklungen auf einer intuitiven Oberfläche deutlicher hervorheben, was es Tradern ermöglicht, schneller zu agieren.

Wenn wir beim Bild der Pokerrunde bleiben, heißt das: Es geht nicht nur um die Analyse der Kartenkombination im eigenen Pokerblatt, sondern den besonderen Blick auf aller sich im Spiel befindlichen Karten.

Gastbeitrag von Evgeny Kuznetsov, Director of Product Management, Market Data bei Devexperts