Wer den Schaden hat...

11.03.2019

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Schnee von gestern: „Geiz ist geil“-Mentalität

Aus diesem Grund sind vor allem Angebote mit Varianten, die verbesserte Leistungsstufen gegen aufsteigende Preise bieten, mit Argusaugen zu beleuchten. So entpuppt sich gerade an dieser Stelle der vordergründige Sparwille im Schadenfall als mitunter bittere Pille. Verzichtet der Kunde nichtsdestotrotz auf Deckungserweiterungen, obliegt es dem Vermittler, die Beratung über resultierende Nachteile tunlichst gerichtsfest zu dokumentieren und darüber hinaus in den Folgejahren an die fehlenden Erweiterungen zu erinnern und diese regelmäßig anzubieten. Ohne Beratungsprotokolle mit entsprechenden Warnhinweisen entwickeln sich Billigprodukte und zuvorderst sparsam gehaltene Mittelwege aus drei bis fünf Deckungsvarianten gerne zum unliebsamen Haftungsbumerang. Denn gewinnt der Berufshaftpflichtversicherer einen Eindruck, dass große Bestandsanteile des Vermittlers auf zuvor genannte „Sparfüchse“ entfallen, droht eine Berufsschutzaufkündigung. Die „Geiz ist geil“-Mentalität wird so schnell zum Existenzfall, wenn aufgrund dessen der Vermittler keinen neuen Berufsschutz findet. Ersetzen indes Vermittler den Basis-, Grund- oder Bronzeschutz von vornherein durch die Topvarianten Exklusiv, Profi oder Platin, winken künftig weniger Beratungsaufwand, mehr Vergütungserlöse und geringerer Stress im Schadenfall. Ansonsten gilt: Für Wettbewerber sind Mindestschutz mit Lücken sowie Leistungsabstriche die Einfallstore Nummer eins und zwei zwecks Ausspannung von Unternehmenskunden.

Reputationsschadenmangels Feinschliff

Auf unvollständige Risikoangaben bei Antragstellung reagieren Versicherer allergisch, insbesondere und verständlicherweise spätestens dann, wenn sich derlei Fehler im Schadenfall offenbaren. Laut jüngsten Umfragen steckt etwa hinter jedem zehnten Schaden ein kleiner bis großer Betrug, manche Schadenexperten wähnen an dieser Stelle sogar noch weit größeres Potenzial. Als ein Kriterium zur Betrugsidentifikation gelten Unstimmigkeiten in Antrags- und Vertragsunterlagen. So können Versicherungsnehmer, Versicherte und Vermittler bereits nur durch Unachtsamkeit betreffend Antrag und/oder in der Vertragskorrespondenz bei künftigen Schäden genauer unter die Lupe geraten. Neben derlei Restriktionen in der Schadenregulierung birgt ein zu salopper Umgang mit Risikoangaben und Infos zu Vorversicherungen ebenfalls schnell zu unwiederbringlichem Reputationsverlust. Nehmen Versicherer schadenbedingte Sanierungen auf ihre Agenda, so stehen neben Schadenquote bzw. Schadenfrequenz ebenso die allgemeine Antragsqualität auf der Beurteilungsliste zur Auswahl von sanierungs-würdigen Vermittlerbeständen. Zu guter Letzt: Noch wichtiger als ordentliche Antragsmappen sind schlüssig nachvollziehbare Schadenmeldungen. Die Zeiten, in denen ungenaue oder unvollständige Angaben zum Schadenhergang zum Durchwinken des Schadens bei Versicherern führten, gehören schon lange in die Geschichtsbücher. „Lieber zahlen als fragen“ ist für Schadenmitarbeiter heutzutage keine realistische Option mehr, da sowohl Controlling, Vorgesetzte als auch Aufsichtsamt die Schadenregulierung sehr genau bewerten und begleiten. Liegen Schadenmitarbeitern akkurate Antrags-, Vertrags- und Schadenunterlagen vor, verkürzen sich die damit einhergehenden Regulierungszeiten im Regelfall deutlich. Und da bekanntermaßen das Regulierungstempo für Unternehmer eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale überhaupt darstellt, bindet eine zügige Leistung den Kunden und gilt darüber hinaus als wertvolle Visitenkarte in Sachen Weiterempfehlung.

IT hilft, aber heilt nicht alles

Quasi jeder Unternehmenslenker setzt mittlerweile auf eine möglichst moderne IT. Die Versicherungswirtschaft steht dem nicht nach und gedenkt, sich mit Milliardeninvestitionen ebenfalls den Weg in die digitale Zukunft zu ebnen. Nichtsdestotrotz ist bei vielen FinTechs samt deren Investoren mittlerweile eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Die einst prognostizierte disruptive Wirkung für die „alte“ Finanzwelt fiel bis dato aus und aus nicht wenigen Zielkonkurrenten wurden mittels Kooperationen zwischenzeitlich mitunter beste Business-Buddies. Ein zugkräftiger Motivator mag da der näher rückende Wettbewerb durch die allmächtigen Amazons und Googles dieser Welt sein. Ob die neuen Big Player in Sachen Versicherung mit passenden Strukturen aufwarten, um hoch schlagende Schadenwellen zu managen, ist derzeit allerdings mehr noch eine akademisch wirkende Fragestellung, denn eine verlässlich formulierbare Prognose. So oder so: Bislang leiden die meisten Digitalexperimente an nennenswertem Neugeschäft. Sofern man allerdings der einen oder anderen Studie zum Thema Glauben schenken mag, könnte sich dieser Umstand in absehbarer Zeit jedoch noch ändern. Der frische digitale Wind bläst daher weiter ungebremst durch die Flure der Leistungsabteilungen. Vor allem die „Schaden-App“ wird allerorten als geflügeltes Schlagwort bemüht. Fest steht, dass einfache Möglichkeiten zur Schadenanzeige wertvolle Meldezeit sparen. Der Versicherer kann – ausreichend Kapazität im Hause vorausgesetzt – zügig entscheiden, wie der künftige Regulierungsweg aussieht: Ist ein Gutachter vor Ort notwendig, fehlen Unterlagen oder steht bereits die Ablehnung oder Leistung an. Damit wäre in der Firmenhaftpflicht zwar der Schaden noch nicht vom Tisch, aber zumindest der Regulierungstanz ist schnell eröffnet. Jede IT, welche die Prozesse optimiert und sei-ne Abläufe beschleunigen kann, hilft unzweifelhaft in der Schadenregulierung weiter. Indes gilt weiter: Sobald es kompliziert wird, bleibt der Mensch statt einer Maschine gefragt. Dem folgend konzentrieren sich Start-up-Versicherer gerne auf Digitalprodukte mit einfachen Antragangaben und schlichten Leistungsspektren, wie z. B. für Krankenzusatz- und Haushaltsgeräte-Deckungen. Diese Trends locken bei Vermittlern zuvorderst mit dem Argument der Zeitersparnis, um sich so im Gegenzug besser und länger auf komplexe Versicherungsverträge konzentrieren zu können. Ein Restrisiko für den Vermittler verbleibt allerdings auch an dieser Stelle. Denn resultieren in seinem Bestand aus den digitalen Produkten höhere oder sogar ungedeckte Schäden, muss der Vermittler diese stets mit verantworten. Insofern gilt: Digitale Abläufe sind lediglich so intelligent und verlässlich, wie es ihre Programmierer und Verwender zulassen. Eine falsche Nutzung begünstigt Beratungsmängel sowie problembehaftete Schadenregulierungsverläufe. Bleibt etwa im Rahmen einer Hausratversicherung der Fahrradschutz außen vor, weil der Digitalanbieter eine hochwertige Fahrradpolice lanciert, summieren sich die ungedeckten Fahrraddiebstähle auf dem Beratungsregresskonto seines Vermittlers. Ähnliches Augenmerk verdienen an dieser Stelle etwa auch die unzähligen, wie Pilze aus dem Boden sprießenden Vergleichs-Apps für Gewerbeversicherungen.

Summa summarum sollte dem Beitragsvergleich stets ein intensiver Check des angebotenen Leistungsumfangs folgen, um nicht an einem vermeintlich attraktiven Sparprodukt haftungsrechtlich kleben zu bleiben. Im Besonderen für Gewerbeversicherungs-Einsteiger ist dieser Rat kein leichtes Unterfangen. Allerdings, sich trotz Zeitinvestition an dieser Stelle tapfer durchzubeißen, lohnt sich. Die Belohnung: Mehr Vergütungserlöse pro Firmenkunde bei gleichzeitig sinkendem Haftungsrisiko.

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