Was passiert wenn die Zinsdifferenz weiter kippt?

30.11.2017

Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH / Foto: © GVS

Doch mitten in der rosaroten Börsenwelt sorgt plötzlich ein Frühindikator für Nervosität bei den Finanzprofis. Es handelt sich um die Zinsdifferenz zwischen US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf und zwei Jahren. Je niedriger dieser Wert ist, umso gefährlicher wird es. In einem „normalen“ Umfeld werfen langlaufende Zinspapiere mehr ab als Kurzläufer. Heißt in der Praxis, dass Anleger die ihr Geld länger „verleihen“ höhere Renditen erzielen als kurzfristig orientierte Anleger. Dieser Trend kehrt sich aktuell um. Fünfjährigen US-Staatsanleihen rentieren aktuell mit 2,10 Prozent, zweijährige bringen 1,76 Prozent. Somit liegt die Differenz bei 0,34. Vor einem Jahr lag der Unterschied noch bei 0,73 Prozent.

Dieser simple Indikator gilt unter Börsenprofis als Alarmzeichen für eine nahende Rezession. Er wird besonders ernst genommen, weil er einst  die Dotcom-Blase und die Finanzkrise frühzeitig angekündigt hat. Aus diesem Grund wird diese Grafik, welche die wenigsten Privatanleger kennen dürften,  „der Chart des Schreckens“ genannt. In der sehr langfristigen Betrachtung stellt sich ebenfalls die hohe Trefferquote für den US-Markt heraus. Lediglich in den 60er-Jahren und Mitte der 90er habe die Kurve einen Fehlalarm ausgelöst. Da der amerikanische Aktienmarkt nach wie vor als weltweite Leitbörse fungiert, steht dieser unter besonderer Beobachtung. Er hat enorme Abstrahlkraft auf die europäischen und asiatischen Pendants. Frei nach dem Motto: „Wenn die Wall Street hustet, bekommt der DAX einen Schnupfen“.

Ein Parameter dürfte aber noch eine wichtige Rolle spielen. Und zwar die Niedrigzinspolitik der Notenbanken, welche erst seit 2009 praktiziert wird. Somit ist es durchaus möglich, dass diese tiefen Zinsen in Verbindung mit einer möglichen Steuerreform die US-Börsen noch eine Zeit nach oben treiben werden. Vom zeitlichen Hintergrund wäre eine Rezession nämlich jetzt schon überfällig. Die Börsenhausse dauert mittlerweile schon 454 Wochen. Die durchschnittliche Dauer eines US-Börsenzyklus liegt hingegen bei 171 Wochen.

Der „Chart des Schreckens“ ist nur einer unter zahlreichen Indikatoren. Anleger sollten diesen aber trotz oder gerade wegen der hohen Sorglosigkeit im Auge behalten. Falls die Differenz in den nächsten Monaten sogar negativ wird, also wenn die kurzlaufenden Anleihen besser rentieren als langlaufenden, sollten die Alarmglocken schrillen. Nicht, dass die Anleger am Ende des Tages Trübsal blasen. Wir werden die Entwicklung frei nach dem GVS-Firmenmotto „Sicherheit und Rendite – genau in dieser Reihenfolge“  im Auge halten.

Marktkommentar von Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH