Warum Kryptoassets noch Spekulationen sind

19.10.2021

Andreas Fitzner - Foto: © Eyb & Wallwitz

Investitionen sind Entscheidungen, die stets auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Analysen und der Erwartung einer Mindestrendite getroffen werden. Entweder weil es ein Geschäftsmodell gibt, das verlässliche Gewinne abwirft oder weil das Investitionsziel aus nachvollziehbaren Gründen an Wert zulegt. Bei Kryptoassets wie dem Bitcoin ist beides noch nicht gegeben. Kryptoassets erfüllen die Geldfunktion weder als Tausch- noch als Wertaufbewahrungsmittel, da sie schlicht zu volatil sind.

Dennoch sind weltweit unzählige Anleger dazu bereit, ihr Geld in Kryptoassets zu investieren. Immerhin handelt es sich bei dem Bitcoin – dem mit Abstand wichtigstem Kryptoasset – um ein begrenztes Gut, das mittels einer dezentralen Buchhaltung verwaltet wird und damit nicht von der Willkür einer einzelnen Institution abhängt. Das mache ihn „antiinflationär“, „demokratisch“ und vertrauenswürdiger als gewöhnliches „Fiatgeld“, das über keinen inneren Wert verfügt und in beliebigen Mengen ausgegeben werden kann. So zumindest die Überlegung der Bitcoin-Anhänger, zu dessen argumentativen Stärkung gerne auf die österreichische Schule und Friedrich von Hayeks Idee der Entnationalisierung des Geldes verwiesen wird.

Ein zu kurz gedachtes Narrativ: Knappheit allein, auch wenn sie in die DNA einer Währung einprogrammiert ist, reicht nicht aus, um selbiger dauerhaft stabile Preise zu bescheren. Ganz im Gegenteil sogar: Indem man die maximale Ausgabemenge einer Währung fixiert, beraubt man sich jeglicher geldpolitischer Steuerungsmechanismen, was sich spätestens mit Beginn der nächsten Wirtschaftskrise rächen kann. Ganz zu schweigen von der Frage, wie eine Volkswirtschaft für Innovationen und Wachstum sorgen will, ohne frisches Geld für Kredite bereitstellen zu können. Doch in den Überlegungen vieler Bitcoin-Anhänger spielt das keine Rolle. Für sie ist der Bitcoin so etwas wie der digitale Nachfolger des Goldes und damit das Tauschmittel schlechthin. Der Grund: Bitcoin und Gold lassen sich beide nur unter der Aufwendung großer Energiemengen schürfen, was ihr Angebot verkleinern und ihnen im Gegensatz zum „Fiatgeld“ einen „inneren Wert“ verleihen würde. Dieser wiederum sorge für die nötige Wertstabilität und Verlässlichkeit der Währung.

Eine Vorstellung, die in der Geschichte des Geldes häufiger vertreten wurde. So findet sich selbst bei Immanuel Kant die Idee, dass die Schaffung von Geld stets mehr Fleiß kosten müsse als die Ware, gegen die es getauscht wird. Doch spätestens seit der Einführung von verbrieften Wechseln zu Beginn der Neuzeit ist diese Ansicht überholt. Oder wie Joseph Schumpeter – neben Hayek einer der wichtigste Vertreter der österreichischen Schule – sagen würde: seit Beginn des Kapitalismus. Denn nach Auffassung des österreichischen Ökonomen ist die Schöpfung von Buchgeld durch Kreditvergabe eines der wesentlichen Merkmale kapitalistischer Systeme.

Richtig ist: Im Umfeld vieler Kryptowährungen wimmelt es nur so von innovativen Technologien, wie der Blockchain oder Smart Contracts, mit denen sich Vertragsvereinbarungen, wie Zahlungen, automatisch ausführen lassen. Auch spielten Bitcoin und Co. bei der Verbreitung dieser Technologien in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle. Doch für ihre produktive Anwendung in der Finanzbranche dürfte dies noch nicht der Fall sein, da dieser Schritt klare Verantwortlichkeiten, hohe Compliance-Standards und kalkulierbare Risiken zur Bedingung hat. Voraussetzungen, die der EZB und ihrem digitalen Euro deutlich eher zugetraut werden als dem Bitcoin. Doch wenn Kryptoassets weder als Währung für Wertzuwächse noch als technologische Anwendung für verlässliche Gewinne sorgen werden, warum sind dann trotzdem so viele Anleger in sie investiert? Eine vermeintlich komplizierte Frage, auf die es eine einfache Antwort gibt: bislang nur Spekulation.

Kommentar von Andreas Fitzner, Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz