VW mit Salamitaktik im Diesel-Prozess

28.02.2018

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Über 1.000 Klagen

Derzeit führt TILP vor den Landgerichten Braunschweig und Stuttgart über 1.000 Anlegerklagen gegen VW wegen der Dieselaffäre. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig vertritt die Schwesterkanzlei TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im Musterverfahren den Musterkläger gegen VW. Die erste mündliche Verhandlung soll dort am 3. September stattfinden.

„Die von unserer Kanzlei erstrittene Herausgabe der jetzt vorgelegten Dokumente hat die Erfolgschancen der VW-Kläger erneut erhöht, denn sie belegen unseren Tatsachenvortrag vor Gericht“, betont TILP-Anwalt Axel Wegner.

In ihren Klagerwiderungen auf die TILP-Klagen hatte VW vor dem LG Stuttgart eingeräumt, dass Winterkorn „die Notiz von Herrn Tuch zur Kenntnis genommen“ hat; zum Inhalt dieser Unterlage vom 23.05.2014 hatte VW in ihrer Klageerwiderung jedoch nicht näher vorgetragen. Aufgrund der jetzigen Vorlage der Unterlagen in den TILP-Verfahren steht nunmehr deren Inhalt fest. Auszugsweise heißt es dort:

„Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Winterkorn, in der Anlage erhalten Sie 1. die Information zu Überschreitungen der NOx-Emissionen bei Real Driving Emission Tests (RDE) in den USA. … Bei den Messungen an VW Fahrzeugen … wurden die NOx-Grenzwerte deutlich überschritten (Faktor 15 bis 35). Die ICCT hat VWGoA die Testergebnisse übergeben und um eine entsprechende Kommentierung gebeten. In der Aggregateentwicklung ist eine Task-Force gegründet worden. Über die weiteren Entwicklungen und die Diskussion mit der Behörde werde ich berichten.“

In der Unterlage von Frank Tuch war die im obigen Zitat angesprochene Anlage angefügt, nämlich die Notiz von Bernd Gottweis an Tuch von 22.5.2014. Diese trägt die Überschrift „Überschreitung der NOx-Emissionen bei Real Driving Emission Tests (RDE) in USA …“.

Auszugsweise heißt es dort:

„Das ICCT hat VWGoA (EEO) die Ergebnisse ihrer gemessenen „off cycle emissions“ und ihre parallel im FTP-Test ermittelten (Vergleichs)Werte zur Verfügung gestellt und um Kommentierung der hohen Grenzwertüberschreitungen gebeten. In einer Telefonkonferenz hat die Behörde CARB zusätzlich weitergehende Untersuchungen angekündigt, konkrete Fragen der Behörde … liegen EEO bereits vor.

Eine fundierte Erklärung für die dramatisch erhöhten NOx Emissionen kann den Behörden nicht gegeben werden. Es ist zu vermuten, dass die Behörden die VW Systeme daraufhin untersuchen werden, ob Volkswagen eine Testerkennung in die Motorensteuergeräte-Software implementiert hat (sogenanntes defeat device) und bei einem erkannten „Rollentest“ eine andere Regenerations- bzw. Dosierungsstrategie fährt als im realen Fahrbetrieb.

In der Aggregatentwicklung werden derzeit geänderte Softwarestände entwickelt, mit denen sich die RDE reduzieren lassen, jedoch werden hiermit die Grenzwerte ebenfalls nicht unterschritten.“

„Der Begriff defeat device, welcher für jeden Fachkundigen für eine in den USA verbotene Abschalteinrichtung steht, wurde in der Gottweis-Notiz somit klar angesprochen. Dass Herr Winterkorn jedenfalls spätestens Ende Mai 2014 keine Kenntnis von den in den jetzigen Unterlagen dokumentierten Umständen gehabt haben soll, ist deshalb nicht mehr glaubhaft“, so Andreas W. Tilp.

Richter befangen?

VW hat nicht nur dem Gericht wichtige Unterlagen vorenthalten, sondern auch in 149 Klageverfahren Befangenheitsanträge gegen den Stuttgarter Einzelrichter Dr. Richter Reuschle eingereicht. Über die Anträge wurde bislang noch nicht entschieden.

„Es ist das gute Recht jeder Partei, Richterablehnungen wegen der Besorgnis der Befangenheit auszusprechen“, erklärt Rechtsanwalt Wegner. „Nach gründlicher Analyse der Ablehnungsgesuche sowie der zwischenzeitlich vorgelegten Dienstlichen Äußerungen des abgelehnten Richters halten wir die Ablehnungsgesuche allerdings für unbegründet. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass ein aus Sicht von VW unbequemer Richter kaltgestellt werden soll“, schließt Wegner. (ahu)

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