Vom Sparer zum Anleger?

08.02.2021

Prof. Oscar A. Stolper - Foto: © Uni Marburg

Aus Sicht von Prof. Stolper zeigten sich bei der Lösung des Problems vor allem zwei Phänomene: Viele ältere Sparerinnen und Sparer hätten sich noch nicht ganz von der alten Welt verabschiedet und hofften immer noch auf „bessere Zeiten“ mit steigenden Zinsen. „Mit dieser Einstellung wird es schwer, den Tatsachen ins Auge zu sehen“, so Stolper. Aber mindestens genauso herausfordernd sei das Bild bei jüngeren Sparern, die die „guten Zeiten“ nie erlebt hätten: „Insbesondere jüngere Sparer, denen nennenswerte Habenzinsen so fremd sind wie Bandsalat und Kännchenzwang dürfen sich nicht mit Geldablage zufriedengeben. Diese Kapitulation vor den Herausforderungen des modernen Sparens passt überhaupt nicht zu dem Anspruch vieler Menschen, immer mehr Lebensbereiche aktiv zu gestalten. Anstelle einer falschen Genügsamkeit muss deshalb das Verständnis treten, dass Finanzvermögen mehr zu leisten vermag, als nominal exakt um das Ersparte anzuwachsen“, ergänzt Prof. Stolper.

Giovanni Gay sieht eine grundsätzliche Bereitschaft bei jungen Menschen, sich auf neue Sparformen einzulassen. Das Ziel sollte nachhaltiger Vermögensaufbau sein – etwa indem man die Menschen mit ratierlichen Lösungen an das Thema heranführt. „So kann es gelingen, aus der Generation Nullzins eine Generation Sparplan zu machen“, sagt Gay.

Beispielrechnung: Aktienfondssparer müssen monatlich 180 Euro weniger zurücklegen, um für das Alter vorzusorgen

Wie dies gelingen kann, zeigt eine Beispielrechnung anhand eines langfristigen Sparvorhabens mit regelmäßigen Sparraten. Aktuell kann eine durchschnittliche angestellt beschäftigte 35-jährige Person in Deutschland im Alter von 67 Jahren mit einer monatlichen Nettorente nach heutiger Kaufkraft von etwa 1.200 Euro rechnen. Dies entspricht ca. 60 Prozent des voraussichtlichen letzten Nettogehalts in Höhe von etwa 2.000 Euro. Nimmt man an, dass 80 Prozent des letzten Nettogehalts für die Versorgung im Alter ausreichen, fehlen für das Versorgungsziel jeden Monat rund 400 Euro.

Ein Vergleich verschiedener Ansätze, diese Rentenlücke in Höhe von etwa 72.000 Euro (durchschnittlicher erwarteter Rentenbezug für 15 Jahre) zu schließen, macht die massiven Unterschiede bei der Geldanlage deutlich: Der Girosparer bevorzugt das Girokonto und Sichteinlagen. Um die Rentenlücke zu schließen, muss er aufgrund der negativen Rendite auf seine Ersparnisse bei Renteneintritt über 90.000 Euro angespart haben. Das sind insgesamt 126 Prozent des erforderlichen Kapitals. Monatlich ist dafür eine Sparrate von 237 Euro notwendig.

Bei einem langfristig ausgerichteten Sparer, dessen Aktienfonds im Mittel die langjährige reale Durchschnittsrendite aller in Deutschland erhältlichen Aktienfonds in Höhe von 6,2 Prozent vor Kosten und Steuern erzielt, sieht die Sache ganz anders aus.

Bei ihm wird ein Großteil des erforderlichen Vermögens nicht durch die Sparleistung, sondern durch den Kapitalzuwachs generiert. Mit insgesamt nur 23.600 Euro muss er nur etwa ein Drittel der benötigten 72.000 Euro zur Seite legen. Das schafft er mit einer monatlichen Rate von 61 Euro. Im Vergleich zum Girosparer hat der Aktienfondssparer somit Monat für Monat fast 180 Euro mehr in der Tasche, die er für andere Dinge verwenden kann. (ah)