Vermögensverwalter-Test: Was die Österreicher besser machen

18.11.2021

Journalist und Fuchsbriefe-Herausgeber Ralf Vielhaber / Foto: © Ralf Vielhaber

In Deutschland haben sich die Banken jetzt viele Jahre vor allem mit Regulatorik beschäftigt und kaum mit dem Kunden. Innovative Ansätze sind nicht zu sehen. Der Margendruck hat eher zu einer Rückentwicklung geführt, zu erkennen in der oftmals fehlenden Dokumentation eines Beratungsgesprächs in einem Gesprächsprotokoll – ich meine nicht das WpHG (Wertpapierhandelsgesetz, Anm. d. Red.)-Protokoll, sondern ein individuelles. Und auch die Umsetzung von Anlagekonzepten in schriftlichen Vorschlägen hat gelitten. Standardisierung ist nicht generell abzulehnen, wenn sie mit einem Individualisierungsansatz verknüpft ist, der ein Standardprodukt an die Bedürfnisse des Kunden anpasst. Doch nicht nur im deutschen Private Banking gilt, was ebenso in der Schweiz häufig zu erleben ist: Der Kunde muss zum Produkt passen, nicht umgekehrt. Das ist ein Fehlverständnis von Private Banking.“

finanzwelt: Wie bewerten Sie die Chancen von Fintechs, künftig qualitativ im Private Banking gute Platzierungen zu erreichen? Vielhaber: „Bei komplexeren Beratungsanforderungen sind sie noch nicht so weit. Und da sehe ich sie auch nicht. Hier werden die Banken und spezialisierte Vermögensverwalter ihren Platz behaupten. Aber es gibt unheimlich viele Anbieter, die gar nicht wissen, was ihr Platz im Markt ist. Wofür man gerade sie braucht, was sie speziell macht. Fragt man danach, kommen massenhaft Floskeln. Doch wenn die Privatbanken die Digitalisierung endlich begreifen und ihre Möglichkeiten und Chancen in der Spezialisierung erkennen, dann haben sie weiter eine Existenzberechtigung. Aber für einen Anleger, der weiß, was er will, der mit Rendite und Risiko umgehen kann, der keine sonderlich komplexen Anforderungen hat und auch keine vertiefte Beratung sucht, für den sind Fintechs eine kostengünstige Alternative. Allerdings: Bei der Konstruktion nachhaltiger Portfolios, die eindeutig am besten durch Einzeltitel abgebildet werden, geht den Fintechs noch immer schnell die Luft aus.“

finanzwelt: Wie beurteilen Sie das Preis-Leistungsverhältnis im aktuellen Test? Sie haben viel Standardisierung beobachtet – ist der Preis dafür niedrig genug? Vielhaber: „Bei beiden Faktoren – Preis wie Leistung – gibt es enorme Spannbreiten. Kurios ist, dass nicht selten – Beispiel Commerzbank – ein hoher Preise aufgerufen, aber nur mäßige Beratungsleistung geboten wird. Umgekehrt: Eine Bank wie Spängler bietet Top-Beratung zu einem sehr fairen Preis. Hier ist der Preis eindeutig niedrig genug, um es mit Ihren Worten zu sagen. Insgesamt kreist der Preis-Median um 1% plus MwSt. Das ist auch eine Kondition, die man für ein Depot von 1 Mio. als fair erachten kann. Bei 3,5 Mio. wie in unserem Testfall, darf es dann ruhig eine niedrigere Gebühr sein.“

finanzwelt: Herr Vielhaber, Sie haben nun wirklich viel Erfahrung im Test von Vermögensverwaltern - welcher Aspekt war diesmal für Sie persönlich die schönste/positivste Überraschung, mit der Sie so nicht gerechnet hätten? Vielhaber: „Schön ist, dass es immer noch Häuser gibt, die die Wünsche der Kunden verstehen wollen und annehmen und in die Kundenbeziehung investieren. Überraschend ist, wie konsequent das teilweise umgesetzt wird. Es bildet sich ein neues Selbstverständnis des Beraters als Netzwerkmanager im eigenen Hause heraus. Konkretes Beispiel: Die Welt ist – es ist banal – komplexer geworden. Insgesamt erwartet der Kunde mehr Verständnis der Zusammenhänge. Das ist Expertenwissen. Damit sind Allrounder überfordert. Es gibt aber Institute und Berater, die erkannt haben, was daraus folgt: die ein Gespräch organisieren, die Spezialisten zum richtigen Zeitpunkt ins Gespräch holen, weil sie erkannt haben, dass sie selbst nicht mehr hinreichend Rede und Antwort in komplexen Themenfeldern wie Nachhaltigkeit oder bei der Risikoeinschätzung auf den Märkten stehen können. Solche Institute stellen den Kunden in den Mittelpunkt. Klasse. Gerne mehr davon.“ (sh)