Verbraucherschützerin mag App und Ausschnitt nicht
07.10.2014
Verbraucherschützer testen alles von der Auslandsreiseversicherung bis zur Zahnpasta. Die „Wiesn“-Deckung für das Oktoberfest und andere Ausschnitts Deckungen halten selbst ernannte „Experten“ für unnötig.
2014-10-09 (fw/db) Die deutsche Assekuranz nutzt mobile Apps für Service und Vertrieb. Für bereits unter einem Euro pro Tag können sich Urlauber noch auf dem Weg zum Flughafen mit einer Last-minute-Auslandskrankenversicherung versichern. Ab 1,49 Euro sind tagesaktuelle Unfall- und Sachpolicen zu haben, etwa für Probefahrten mit dem Auto, Rad- und Golftouren, für Besuche im Fußballstadion oder dem Oktoberfest, Dienstreisen oder beim Carsharing.
Die schnelle Deckung der Versicherer über das Smartphone gilt sofort. Bezahlt wird meist über die Handyrechnung, per Kreditkarte oder PayPal. Die Vertragsbestätigung kommt via E-Mail. Die gewählte Laufzeit endet automatisch und eine Kündigung ist nicht nötig. Die Bayerische bot für das Oktoberfest in München beispielsweise eine spezielle Kurzzeit-Unfallpolice für 5,99 Euro pro Tag.
Beim Wintersport kann eine Skiversicherung für die Ausrüstung und gegen Pistenunfälle kurzfristig und spontan gebucht werden. Ab 2,90 Euro für 24 Stunden. Vor Urlaubsantritt gibt es noch schnell für das Reisegepäck oder den Reiserücktritt eine Deckung.
Verbraucherschützer verdammen diesen Versicherungs-Service
Sogenannte Verbraucherschützer verdammen die neuen Deckungen. Das ist logisch, denn von Teildeckungen oder Ausschnitts Versicherungen hat nicht unbedingt eine Ahnung wer sonst Kaffeeautomaten und Zahnpasten testet. "Wer Versicherungen quasi im Vorbeigehen abschließt, zahlt zu viel Geld für zu wenig Schutz", warnt unverdrossen „Helmut Schmidt Journalisten-Preisträgerin“ Susanne Meunier von der Stiftung Warentest.
Apps können "normale" Policen nicht ersetzen meint die Warentesterin. Da mag sie Recht haben, das gilt aber nur dann, wenn eine solche Versicherungsdeckung tatsächlich vorhanden ist.
"Man kann sich grundsätzlich viel besser versichern als mit den Mini-Versionen per Handy", meldet sich als Nächste die Pressesprecherin Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) zu Wort. „Die meisten App-Angebote seien völlig unzureichend und einfach Unsinn“, meldet die Pressesprecherin von Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein.
Verbraucherschützer zocken Verbraucher ab
Der Verbraucherverein ärgert sich vermutlich über die neuen Angebote, da er selbst sehr spezielle Gruppenverträge an seine Mitglieder vertreibt und die Mitbewerber über das Smartphone fürchtet. Das Modell Verbraucherschutz als Vertrieb des Bund der Versicherten weckt den Neid der Stiftung Warentest und den Geschäftsstellen des staatlich finanzierten Bundesverbands Verbraucherzentrale. Die Verbraucherschützer und „Marktwächter in spe“ zocken ratsuchende Verbraucher mit sehr üppigen Honoraren ab, für eine sehr fragliche Versicherungsberatung über Mitarbeiter ohne öffentlichen Sachkundenachweis und Haftung.
Verbraucherschutz liebt die Allianz
Die Verbraucherschützerinnen loben alleinig die Reise-App einer Tochter der Allianz SE. Sei die auf dem Smartphone installiert, melde sich die kostenpflichtige Option spätestens, wenn der Reisende Deutschland verlässt. Dann wird er per SMS gefragt, ob er nicht eine Auslandskrankenversicherung für 90 Cent pro Reisetag haben möchte. Wer zustimmt, kauft „Last-Minute“ eine Police, die Kosten für "notwendige ärztliche Hilfe" im Ausland übernimmt sowie für den "medizinisch notwendigen Krankenrücktransport". Der Vertrag ist für maximal 27 Urlaubstage abschließbar, auch aus dem Ausland, bis zu 24 Stunden nach Reiseantritt.
Die Reise-App werde mit rund 30.000 Downloads bislang gut angenommen, heißt es dazu auch bei der Allianz Global Assistance (AGA) in München.
Aus Sicht der Warentester gäbe es trotzdem noch jede Menge Haken bei den Handy-Apps.
"Der tagesgenaue Vertragsabschluss ähnelt dem in Reisebüros beim Buchen. Da habe ich auch keine Alternativen zur Auswahl und merke erst im Ernstfall, welche Bedingungen ich habe", bemängelt der Verbraucherschutz. „Komme es zum Streit über eine Kostenübernahme, sei der App-Kunde vom kostenfreien Schlichtungsverfahren ausgeschlossen.“ Wie das? Jeder kann sich beim Ombudsmann beschweren.
Grundsätzlich verdammen die Damen, vom selbst ernannten Verbraucherschutz, die meisten App-Offerten zur Unfallversicherung. So die 24-Stunden-Police für Fußballfans für 1,59 Euro, die Unfälle im Stadion oder bei An- und Abreise mit bis zu 50.000 Euro abdeckt. Hier leistet der Versicherer eine preiswerte Teildeckung für Folgeschäden aus Unfällen im Stadion.
Neue Versicherung für Golfer
Wer auf dem Grün beim Spiel so unglücklich von einem Golfball getroffen wird, dass er dauerhaft erwerbsunfähig wird, ist maximal bis zu 30.000 Euro abgesichert.
"Die Absicherung für Invalidität ist der wichtigste Baustein einer Unfallversicherung", betont BdV-Pressesprecherin Boss. Für etwa 100 Euro pro Jahr lasse sich eine Versicherungssumme bei Invalidität von 200.000 Euro absichern, wenn ein Golfer diese Variante nutzt. Eben nur wenn!
Ebenfalls als „löchrig“ wird die Unfall- und Ski- oder Snowboard-Versicherung für Wintersportler eingestuft. Hier sei die Versicherungssumme von 50.000 Euro für den Ernstfall viel zu gering, gibt die Pressesprecherin Boss zu bedenken. 50.000 Euro ist für eine Pressesprecherin nicht viel, für die Betroffenen ist das anders. Die Idee hinter den App-Angeboten ist eben auch dann, wenn man keinen Versicherungsschutz besitzt, für den Ernstfall eine Notfallabsicherung treffen zu können.
Verbraucherschutzdamen verstehen „Ausschnitt“ nicht
Nahezu alle App-Offerten auf dem Markt böten "lediglich eine Ausschnitts Deckung an, sind teuer und gehen am Bedarf des Kunden eher vorbei", meint die Frau Boss. (Anm. Die Ausschnitts Deckung ist nur eine Teilversicherung. Der Vorteil dieser Kurzfristversicherungen ist der schnelle Abschluss zu einer niedrigen Prämie.) Dazu zählt für Sie auch eine Kurzzeit-Policen für Dienstreisen, für Kita-Ausflüge oder Klassenfahrten der Schulkinder. Die Warentesterin Meunier springt der Kollegin vom BdV bei und urteilt: "Das alles ist nicht sehr vernünftig."
Durchaus eine Überlegung wert sei vielleicht der Schutz per App, den es sonst nicht gäbe, wie etwa die Absicherung von Probefahrten mit einem Kraftfahrzeug. Endet das Ausprobieren eines Autos von privat oder einem Händler in einem Unfall, springt der Schadenversicherer ein und übernimmt die Selbstbeteiligung von bis zu 1000 Euro. Da zeigt sich zumindest die Erfahrung der Testerinnen als Autofahrer.
Fazit und Ausblick
Derzeit greifen bereits 12 Prozent der deutschen Smartphone-Nutzer auf Versicherungs-Apps zu, wie eine aktuelle Studie „Wege zum Kunden 2015“ der Consultingfirma Steria Mummert zeigte. Wer schützt die Verbraucher vor den selbst ernannten oder staatlich finanzierten Verbraucherschützern? Vielleicht gibt es auch dafür bald eine App auf dem Smartphone.
Dietmar Braun