USA und Europa: Was Anleger zum Super-Wahljahr 2024 wissen müssen
12.02.2024
Shanna Strauss-Frank. Foto: Freedom Finance
In diesem Jahr stehen mit den Präsidentschaftswahlen in den USA und der Europawahl zwei Ereignisse an, die das Potenzial haben, die Finanzmärkte erheblich durchzurütteln. Ein weiteres Rennen zwischen Joe Biden und Donald Trump wirft die Frage nach den weltweiten Auswirkungen auf Geopolitik, Inflation, Zinsen und Wirtschaftswachstum auf. Gleichzeitig spielt die Wahl des Europäischen Parlaments eine wichtige Rolle für europäische Anleger und die internationalen Finanzmärkte, aber ihre Auswirkungen sind vielschichtig und nicht immer direkt. Was würde eine "pro-europäische" Mehrheit für die Märkte und die europäischen Anleger im Vergleich zu einem Erstarken der Rechten bedeuten? Gibt es Szenarien, die Anleger unbedingt im Auge behalten sollten, oder stimmt das Sprichwort „Politische Börsen haben kurze Beine“?
Am 5. November diesen Jahres wird die 60. Wahl zum US-Präsidenten stattfinden. Wer in das Weiße Haus einzieht, wird eine Welt mit regionalen militärischen Auseinandersetzungen, laufenden Handelskonflikten und nationalen Sicherheitsrisiken vorfinden. Die Außenpolitik wird im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des US-Bündnissystems für die Märkte noch relevanter sein als sonst. „Eine Rückkehr Trumps würde für europäische und andere Verbündete höhere fiskalische und sicherheitspolitische Kosten bedeuten. Darüber hinaus steht auch der finanzpolitische Kurs der USA selbst auf dem Spiel“, erklärt Shanna Strauss-Frank, Börsenexpertin bei Freedom Finance Europe. Im Hinblick auf die Europawahlen im Juni diesen Jahres steht vor allem der indirekte Einfluss auf die Politik im Vordergrund. Diese werden die unterschiedlichsten Bereiche beeinflussen, von Finanzen und Steuern bis hin zu Energie und Handel. Das Sprichwort "Politische Börsen haben kurze Beine" bedeutet also nicht, dass Wahlen keine Rolle spielen. Sie können große Konsequenzen auf die Wirtschaft und einige Sektoren haben. „Es erinnert Anleger aber zu Recht daran, dass diese Auswirkungen oft nur vorübergehend sind und nicht zu umfassenden Änderungen einer grundlegend soliden Strategie führen sollten“, so Strauss-Frank.
US-Wahl: Anhaltende Unsicherheit wirkt sich negativ auf Märkte aus
Was bedeutet nun ein Sieg Joe Bidens oder Donald Trump für Anleger? Sollte der amtierende Demokrat Biden im Amt bleiben, spricht einiges für zaghafte Märkte. „Während der S&P 500 unter Biden zwar positive Renditen verzeichnete, könnten einige Anleger angesichts möglicher politischer Änderungen bei Sektoren wie Gesundheitswesen, Energie und Technologie, vorsichtig sein“, sagt Strauss-Frank. Höhere Steuern für Unternehmen und Spitzenverdiener würden die Begeisterung der Märkte ebenfalls dämpfen. Bidens Betonung von Multilateralismus und Handelsabkommen könnte allerdings für internationale Investoren beruhigend wirken. Trumps Politik ist hingegen oft unvorhersehbar, der Markt schwankt je nach seinen Tweets und Aktionen. „Seine geplanten Steuersenkungen und Deregulierung könnten zunächst bestimmte Sektoren begünstigen, aber Sorgen wegen Handelskriegen und sein Einfluss auf die Fed könnten für Unsicherheit sorgen“, so Strauss-Frank. Unabhängig davon kann sich eine anhaltende Unsicherheit vor einer Wahl negativ auf die Märkte auswirken, da Anleger dazu neigen Entscheidungen zu verschieben und Investitionen zurückzuhalten.
Biden oder Trump – welche Sektoren profitieren
Einige Branchen, wie etwa Technologie und das Gesundheitswesen, werden unter beiden Regierungen Zuspruch finden, wenn auch in unterschiedlichem Tempo. Während Unternehmen für erneuerbare Energien und saubere Technologien wie Solar- und Windenergie, Elektrofahrzeuge und Energieeffizienzunternehmen eindeutig von einem Sieg Bidens profitieren. „Höhere staatliche Ausgaben für das Bildungswesen und Bidens Fokus auf den Schutz vor Cyberbedrohungen, sollten Anleger ebenfalls im Blick behalten“, so Strauss-Frank. Zudem würden Bauunternehmen, Ingenieurbüros und Materialhersteller von Bidens Infrastrukturplänen profitieren. Eine Rückkehr zur Trump-Ära würden Öl- und Gaskonzerne feiern und sich möglicherweise über laxere Vorschriften und ein Wiederaufleben traditioneller Energiequellen freuen. Gleichzeitig wäre unter Trump eine erneute Konzentration auf die nationale Sicherheit wahrscheinlich, was Rüstungskonzerne, Luft- und Raumfahrtunternehmen dank höherer Militärausgaben begünstigt. Seine „America First“ Politik, die die amerikanische Produktion ankurbeln und die Abhängigkeit von Importen verringern soll, könnte einheimische Unternehmen in den verschiedenen Branchen stärken.
Politischer Druck auf die Fed möglich
Der US-Präsident ernennt direkt den Vorsitzenden der Federal Reserve (Fed) und mehrere ihrer Mitglieder, was sich erheblich auf die Ausrichtung der Geldpolitik und somit die Zinssätze und quantitative Lockerung auswirken könnten. „Obwohl die Fed als unabhängig gilt, können der Präsident und der Kongress dennoch Einfluss auf ihre Entscheidungen haben“, so Strauss-Frank. Eine starke Wirtschaftsleistung unter einem Kandidaten kann die Fed eher dazu veranlassen, die Geldpolitik zu straffen, also Zinsen zu erhöhen, während eine schwächere Wirtschaft oder ein geringerer Inflationsdruck weitere Anpassungsmaßnahmen erfordern können. Die Finanzpolitik der neuen Regierung, einschließlich Änderungen bei Steuern und Staatsausgaben, könnte die Wirtschaft und die Reaktion der Fed stark beeinflussen.
Mehr als zwei Lager: Die Relevanz der Europawahl für Anleger
Die Auswirkungen der Europawahlen auf Märkte und Anleger vorherzusagen ist schwierig, da sie von mehreren Faktoren abhängen, die weit über die einfache Spaltung zwischen "pro-europäisch" und "rechts" hinausgehen. Allerdings würde eine stärkere pro-europäische Mehrheit auch eine tiefere wirtschaftliche und politische Integration signalisieren und zu Investitionen in Anleihen der Eurozone führen. „Die wahrgenommene Stabilität könnte Anleger anziehen, die einen sicheren Hafen suchen und so den Euro stärken. Zudem könnten europäische Aktien besser bewertet werden, denn eine engere Integration würde Sektoren wie Finanzwerte und Konsumgüter zugutekommen, die direkt mit dem Binnenmarkt verbunden sind“, weiß Strauss-Frank. Eine stärkere Euroskepsis und Unsicherheit hingegen könnten Anleger dazu veranlassen, in sicherere Anlagen zu investieren, was den Euro schwächt und die europäischen Aktien beeinträchtigt. Zudem können Meinungsverschiedenheiten zwischen den nationalen Regierungen und dem Europäischen Parlament zu Verzögerungen führen und Fortschritte bei der Gesetzgebung behindern, was das Vertrauen der Anleger weiter untergraben würde. Obwohl das Europäische Parlament nicht die Macht hat, Gesetze zu initiieren, hat es einen starken Einfluss auf deren Entstehung und Verabschiedung.
Kolumne von Shanna Strauss-Frank, Börsenexpertin bei Freedom Finance Europe