US-Wahlen 2024: Gespaltene Regierung – Gute Nachrichten für die Märkte?

27.09.2024

Stephen Dover. Foto: Franklin Templeton Institute

Aktuell sieht es so aus, dass die Wahlen im November 2024 wahrscheinlich eine gespaltene Regierung in Washington, D.C., zur Folge haben werden, bei der keine einzelne Partei das Weiße Haus, den Senat und das Repräsentantenhaus kontrolliert. Eine gespaltene Regierung war in den letzten fünfzig Jahren die Norm und wird von den Märkten in der Regel begrüßt, weil ein Stillstand den Spielraum für weitreichende Gesetzesänderungen begrenzt. Mit einer gespaltenen Regierung könnte jedoch das Risiko eines Staatsbankrotts der USA steigen, wenn sich ein Flügel des Kongresses weigert, die Schuldenobergrenze anzuheben.

Wer zum Präsidenten bzw. zur Präsidentin gewählt wird, ist für die allgemeinen Marktrenditen unerheblich, für bestimmte Sektoren wie Energie oder Pharmazie aber von entscheidender Bedeutung.

Anleger begrüßen oft eine gespaltene Regierung, weil sie – vielleicht widersinnigerweise – die Ungewissheit vermindert. Der Spielraum für umfangreiche Änderungen der Steuergesetze oder der Regulierungspolitik wird durch die Notwendigkeit von Kompromissen begrenzt. Der Status quo bleibt bestehen – und Unternehmen und Anleger können Entscheidungen treffen, ohne größere steuerliche oder aufsichtsrechtliche Änderungen in Betracht ziehen zu müssen.

Eine gespaltene Regierung kann sogar einen Abbau des Defizits ermöglichen, wie es in den Jahren 1994–2000 und erneut 2010–2016 der Fall war. Anleiheinvestoren könnten daher Grund haben, diese Situation als Möglichkeit zum Abbau von Defizit und Schuldenlast zu begrüßen. Der einzige Bereich, der bei einer gespaltenen Regierung allerdings Anlass zur Sorge geben könnte, ist das politische Ausfallrisiko. Regierungsstillstände und die Gefahr, dass das Finanzministerium Zinszahlungen für Staatsschulden nicht leisten kann, waren ein Grund zur Sorge, als aufgrund von Pattsituationen die Schuldenobergrenze der USA nicht erhöht werden konnte. In allen diesen Fällen seit Mitte der 1990er-Jahre sind diese Beinahe-Pleiten (einschließlich der Herabstufung von US-Schulden durch Ratingagenturen) mit einem Demokraten im Weißen Haus und einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus eingetreten. Die Demokraten haben bisher keine ähnlichen politischen Verhandlungstaktiken verfolgt, wenn sie das Repräsentantenhaus unter einem republikanischen Präsidenten kontrollierten. Folglich wäre das Ausfallrisiko bei einer gespaltenen Regierung unter Harris als Präsidentin höher.

Folgen einer gespaltenen Regierung für die Märkte

Die Renditen von US-Staatsanleihen und die allgemeine Richtung der Zinsen werden in erster Linie durch den Konjunkturzyklus (Wachstum und Inflation) und die entsprechende Politik der Federal Reserve (Fed) bestimmt, nicht durch die Steuerpolitik oder staatliche Risikoprämien. Unabhängig von der Berechtigung langfristiger Sorgen über die Entwicklung des öffentlichen Defizits und der Verschuldung der USA gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der derzeitige Umfang der Schulden oder auch nur ihr prognostiziertes Wachstum kurz- oder mittelfristig erhebliche Auswirkungen auf das Niveau oder die Richtung des Marktes für US-Staatsanleihen hat oder haben wird.

Bei Aktien bestimmen Bewertungen und Gewinne die Renditen. Eine Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes (Harris befürwortet eine Anhebung von 21 % auf 28 %) würde die Unternehmensgewinne nach Steuern senken. Dennoch könnte sie als Präsidentin Schwierigkeiten haben, eine Erhöhung durchzusetzen, wenn die Republikaner den Senat kontrollieren.

Der wichtigere Aspekt für Aktienanleger ist die Regulierung, die hauptsächlich in der Verantwortung des bzw. der PräsidentIn liegt. Harris und die Demokraten werden sich für eine stärkere Regulierung fossiler Energieträger und der Pharmaindustrie einsetzen (etwa für weitere Preisobergrenzen für verschreibungspflichtige Medikamente) und gleichzeitig alternative Energien fördern. Bei einer Präsidentschaft von Trump wäre das Gegenteil der Fall. Dementsprechend dürften diese Sektoren stärker auf den Ausgang der Präsidentschaftswahlen reagieren als der breite Markt.

Auf den Devisenmärkten passt sich der US-Dollar an Veränderungen der Zinsdifferenzen und der Differenzen der erwarteten Aktienrenditen zwischen den USA und anderen Ländern an. Da das US-Wachstum Anzeichen einer Abkühlung zeigt und die US-Notenbank für die nächsten zwölf Monate eine deutliche Lockerung signalisiert, dürfte der US-Dollar gegenüber anderen wichtigen Währungen etwas abwerten. Unseres Erachtens wird die Dollarschwäche jedoch wahrscheinlich durch das geringe Wachstum und die relativ niedrigen Renditen an den Anleihe- und Aktienmärkten in Europa und Asien eingedämmt, da die Volkswirtschaften in diesen Regionen nach wie vor durch das gedämpfte globale Wachstum, die laue Entwicklung des Welthandels und andere Faktoren wie politische Risiken oder eine hohe Schuldenlast (z. B. China) beeinträchtigt werden.

„Die Unbekannte für den US-Dollar und die Kapitalmärkte wäre ein Sieg Trumps, gefolgt von der Erhebung hoher, umfassender Zölle. Wenn andere Länder dagegenhalten, könnte das Risiko eines Handelskriegs die Risikoprämien in die Höhe treiben. Das würde starke Einbrüche an den Aktienmärkten und einen Anstieg bei den traditionell als „sichere Häfen“ geltenden Währungen (Schweizer Franken, japanischer Yen) sowie bei Gold und Kryptowährungen zur Folge haben.“

Schließlich sollte man auch die Kartellpolitik im Auge behalten. Die Regierung Biden hat unter der Leitung der Vorsitzenden der Federal Trade Commission, Lina Khan, eine härtere Gangart gegenüber großkapitalisierten Technologieunternehmen eingeschlagen. Eine Regierung Harris könnte den gleichen Ansatz verfolgen. Auf der anderen Seite ist der republikanische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, J.D. Vance, ein Verfechter des Kartellrechts für den Technologiesektor. In beiden Fällen ist das Kartellrecht Ausdruck einer populistischen Haltung, der zufolge DurchschnittsbürgerInnen in den USA über die wachsende Macht von Großkonzernen besorgt sind.

Marktkommentar von Stephen Dover, Head of Franklin Templeton Institute.