The next Generation!
20.06.2024
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In den vergangenen Jahren standen die Schwellenländer eher im Abseits. Zinswende, geopolitische Krisen und Nachwehen der Corona-Pandemie sorgten für eine verhaltene Stimmung. Nun sehen wir ein zaghaftes Erwachen in den aufstrebenden Staaten. Insbesondere in Asien spielt weiter die Musik.
Wann ist mit einer Outperformance in den Schwellenländern wieder zu rechnen? Eine berechtigte Frage, die sich viele Berater zuletzt stellten. Die vergangenen Jahre waren hart. Der US-Markt zog an. Der einstige Überflieger China geriet ins Straucheln. Allein 2023 bescherte der breite MSCI World Anlegern ein Plus von rund 23 %, der MSCI EM brachte es nur auf ca. 10 %. 2017 hatte der Index der Schwellenländer zuletzt die Nase deutlich vorn. Das ist lange her.
Inflationsschub belastete
Zumindest in vielen Schwellenländern war die Inflation ein wesentlicher Grund für die schlechte Performance gewesen. Zweistellige Inflationsraten waren keine Seltenheit. Im Gegensatz zu den westlichen Industrienationen erhöhten viele Emerging Markets ihre Leitzinsen schneller. So hatte Indien als kommende Wirtschaftsmacht bereits im Frühsommer 2022 damit begonnen, die Geldpolitik zu straffen. Von einem Tiefstand bei 4 % ausgehend, erhöhte die Reserve Bank of India (RBI) die Leitzinsen von Mai 2022 an um insgesamt 2,5 Prozentpunkte. Die gute Botschaft: Zinssenkungen, die derzeit in den USA und Europa noch viel diskutiert werden, hat es in einigen Emerging Markets bereits gegeben. Insbesondere in Südamerika, Beispiel Brasilien, gab es im vergangenen Jahr Zinssenkungen. Guter Nährboden, um frisches (neues) Kapital anzulocken. „Im derzeitigen Umfeld der Disinflation in Verbindung mit Zinssenkungen sind die lokalen Volkswirtschaften und die Aktien der Schwellenländer besonders attraktiv. Darüber hinaus sind die Bewertungen der Schwellenländer nach 15 Jahren Underperformance gegenüber den Industrieländern auf einem attraktiven Niveau und bieten auswählenden Managern großartige Möglichkeiten zur Aktienauswahl“, sagt Xavier Hovasse, Head of Emerging Equities und Fondsmanager bei Carmignac. Nun stellt sich die Frage, wenn man entsprechende Investments in diesen aufstrebenden Ländern anpeilt, wo sollten Anleger hinschauen? China, eigentlich kein Emerging Market-Staat der klassischen Prägung mehr, enttäuscht seit Corona.
Indien prescht vor
Die Situation der Emerging Markets 2024 ist nicht zu vergleichen mit der von vor einigen Jahren oder Jahrzehnten. So hat sich beispielsweise das Anlageuniversum in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich weiterentwickelt. Die Investitionen in Schwellenländer-Anleihen (EMD) sind seit 2010 von rund 10 auf 26 Bio. USD gewachsen, was auch an der gestiegenen Zahl von Anleihe-Emissionen in Landeswährungen liegt. Viele Länder sind folglich nicht mehr so anfällig für Abwertungen, wie das noch in der Vergangenheit der Fall war. Eines kristallisierte sich in der jüngeren Vergangenheit dabei heraus: Die südostasiatischen Tigerstaaten wie Vietnam, Südkorea, Indonesien laufen China zunehmend den Rang ab. Viele Experten konzentrierten sich in den vergangenen Monaten auch auf Indien. Löst Indien China als „Superplayer“ ab? „Investments in Indien und hier vor allem in Aktien stehen derzeit im Fokus vieler Anleger. Dabei wird völlig übersehen, welche besonderen Chancen indische Anleihen derzeit bieten. Denn die im Juni bevorstehende Aufnahme indischer Staatsanleihen in den JP Morgan GBI EM Local Currency Index markiert einen bedeutenden Meilenstein, der das Land für Investoren noch attraktiver macht“, so Kenneth Akintewe, Head of Asian Sovereign Debt bei abrdn. Für 2024 prognostizieren Ratingagenturen ein Wachstum von etwas über 6 %. Indien ist damit die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt und dürfte in den kommenden Jahren sowohl Japan als auch Deutschland überholen. Indien hat seine Produktionskapazitäten für Mobiltelefone, Computer und Telekommunikationsgeräte ausgebaut. Neben den asiatischen Märkten könnte auch ein selektiver Blick auf Lateinamerika lohnen. Experten von AXA Investment Managers sehen beispielsweise eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in Chile und Kolumbien (trotz der Probleme in der Vergangenheit), sind hingegen eher zögerlich oder skeptisch bei Brasilien und Mexiko.
Fazit
Schwellenländer zur Portfoliodiversifikation? Ja, gerade jetzt. Denn die Zeiten der extrem hohen Leitzinsen sind in einigen Emerging Markets passé. Zinssenkungen beflügeln insbesondere die inländische Nachfrage. Zudem könnten strukturelle Trends wie Energiewende oder die Transformation der Wirtschaft den Schwellenländern langfristig in die Hände spielen. Hinzu kommt die attraktive Bewertung im Vergleich zu den etablierten Märkten wie USA oder Europa. Doch die Entwicklung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich, insofern bleibt eine hohe Selektivität geboten. (ah)
Info
Die ASEAN besteht aus zehn Mitgliedsstaaten (Brunei Darussalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam) mit insgesamt rund 670 Millionen Einwohnern. Ihre Fläche ist zwar vergleichbar mit der der Europäischen Union (EU), das Bruttoinlandsprodukt entspricht allerdings nur etwa einem Fünftel der Wirtschaftsleistung der EU. Die südostasiatische Staatengemeinschaft gehört aber zu den wachstumsstärksten Regionen der Welt: Zwischen 2010 und 2022 verzeichnete die ASEAN jedes Jahr im Durchschnitt ein reales Wirtschaftswachstum von knapp 4,4 %. Deutschland exportierte 2023 Waren im Wert von 30,5 Mrd. US-Dollar in die ASEAN.