Tausche Minizins gegen Perspektive
25.05.2015
Susanne Woda
Allen Kurskapriolen zum Trotz, sind Aktien langfristig ein attraktives Investment. Wer sein Kapital in Zeiten von Niedrigzinsen vermehren und sicheren Verlusten aus der Zinswende entgehen will, kommt daran nicht vorbei. Starke Nerven, gesunde Skepsis und taktisches Geschick beim Investieren sind dabei jedoch unerlässlich.
Kürzlich habe ich die Allokation meiner Altersvorsorgeverträge überprüft und bin sprichwörtlich vom Stuhl gefallen, als ich mein Vertragsguthaben zu 100 % in einen Rentenfonds mit extra langer Duration investiert sah. Hier wird in Staatsanleihen mit Laufzeiten von mindestens 15 Jahren angelegt. Für die vergangenen Jahre war dies das Beste, was mir passieren konnte. Allein in 2014 legte mein Vermögen um etwa 40 % zu.
Doch die Zukunftsaussichten sind düster: Die Rendite einer 15-jährigen Bundesanleihe beträgt noch 0,88 % pro Jahr, nicht gerade berauschend – dafür aber sicher? Ganz im Gegenteil, starke Nerven werden gefragt sein. Im Falle einer – auf 15-Jahressicht nicht unwahrscheinlichen – Zinswende erwarten mich satte Kursverluste. Der jüngste Renditeanstieg von gerade einmal 0,3 auf 0,9 % hat mich 18 % meines Vorsorgevermögens gekostet. Der Schreck sitzt tief, doch die Chancen stehen gut, dass ich vorerst mit einem blauen Auge davonkomme. Hält die EZB an ihrem Anleihekaufprogramm fest, dürfte dies den Kursen noch einmal Auftrieb verleihen. Sollten die Zinsen sich in den nächsten Jahren auch nur geringfügig ändern, muss ich mich auf zwischenzeitlich erhebliche Kursverluste vorbereiten. Ein Renditeanstieg auf 2 % könnte mein Vorsorgekapital halbieren. Bestenfalls bleiben die Zinsen niedrig, doch dann ist ein Vermögenszuwachs ohnehin passé.
Ist das die Relation zwischen Risiko und Chance, die ich für mein Vermögen erwarte? Ganz bestimmt nicht. Was sind also die Alternativen? Wenn ich schon bereit bin, langfristig zu investieren und Schwankungen von 50 % hinzunehmen, will ich doch wenigstens dafür entlohnt werden!
Kursschwankungen gehören auch bei Aktien zur Tagesordnung und Börsencrashs sind der Albtraum eines jeden Anlegers. Wer in der Vergangenheit zur falschen Zeit, wie zum Beispiel während der Dotcom-Blase oder vor der Finanzkrise, in Aktien investierte, musste zwischenzeitlich Nervenstärke beweisen und Vermögensverluste von über 50 % verkraften. Doch der Erfolg gibt den Hartgesottenen langfristig Recht und dies wird auch zukünftig nicht anders sein. Denn die Weltwirtschaft wächst – mit Höhen und Tiefen. Die industrielle Revolution 3.0 und demografische Entwicklungen, allen voran Bevölkerungswachstum und steigendes Wohlstandsniveau in den Schwellenländern, sorgen für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Davon werden global aufgestellte Konzerne profitieren und als Aktionär werde ich an der Wertschöpfung der Wirtschaft beteiligt.
Wer langfristig investieren kann, ist mit Aktien besser dran als mit Anleihen. Eine Auswertung des deutschen Aktieninstitutes seit dem Jahr 1965 zeigt, dass beispielsweise DAX-Anleger positive Renditen erzielten, wenn Sie eine Anlagedauer von mindestens 15 Jahren einzuhalten bereit waren. Das schlechteste Anlageergebnis in diesem Zeitraum lag bei 2,3 % pro Jahr, mit einem guten Timing waren sogar bis zu 15 % jährlich drin. Und auch in punkto Ausschüttungen ist mit Aktien mehr rauszuholen. Mit einer Dividendenrendite von durchschnittlich 2,3 % schütten DAX-Konzerne mehr als dreimal so viel an ihre Aktionäre aus, wie meine 15-jährigen Bundesanleihen. Bei regelmäßiger Wiederanlage entsteht hier wenigstens noch ein nennenswerter Zinseszinseffekt. Und noch eines lehren uns die Erfahrungen aus der Vergangenheit: Von Schuldenschnitten, Zwangsbesteuerung und Negativzinsen blieb Aktienvermögen bisher verschont.
Natürlich ist im Zuge der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken weltweit viel Kapital in Aktienmärkte geflossen, das hat die Kurse nach oben getrieben. Gesunde Skepsis hinsichtlich der angemessenen Bewertung vieler Aktien – insbesondere der sicher geglaubten Dividendenkönige – ist durchaus angebracht. Denn was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen, die relative Attraktivität von Dividenden wieder sinkt, höhere Kapitalkosten auf die Unternehmensgewinne drücken und den Verbrauchern die Konsumlaune verderben?
Um fallende Kurse am Aktienmarkt zu erreichen, genügt ausbleibende Kaufbereitschaft, denn Verkäufer wird es immer geben. Für einen Kursverlust von 50 % und mehr müsste es ganz schön dicke kommen, doch nichts ist unmöglich. Im aktuellen Umfeld ist es ratsam, nicht das gesamte Pulver auf einmal zu verschießen. Denn Unsicherheitsfaktoren gibt jede Menge – gestern sorgte Russland, heute Griechenland, und morgen vielleicht China für heftige Turbulenzen an den Aktienmärkten. Wann welche Risiken zum Tragen kommen und Kurs noch einmal günstiger machen, weiß niemand im Voraus.
Gelegenheiten, ein qualitativ hochwertiges Aktienportfolio weiter auszubauen, wird es zukünftig jedoch mit Sicherheit geben. Wer langfristig investieren muss oder möchte, kommt an der Aktie nicht vorbei. Hier wird Geduld beim Investieren belohnt, für Anleihegläubiger aber ist das dicke Ende vorprogrammiert.
Autorin: Susanne Woda, Portfoliomanagerin der GVS Financial Solutions GmbH