„Tapering“-Taktik für Anleger

16.06.2017

Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung / Foto: © valorvest

Worte wichtiger als Taten

Zunächst ist für Anleger wichtig, dass nicht der tatsächliche Zeitpunkt des Ausstiegs so sehr von Bedeutung ist, sondern der Zeitpunkt der Ankündigung des Ausstiegs seitens der EZB. Dies verdeutlicht die Entwicklung 2013, als Ben Bernanke am 22.Mai 2013 erstmals eine Rückführung des „Quantitative Easing III“-Programms der US-Notenbank FED angedeutet hat. Die kurzfristige Reaktion der Finanzmärkte erfolgte unmittelbar nach der Ankündigung im Mai: Der DAX fiel zunächst um minus 9,8 Prozent und bei zehnjährigen deutschen Staatsanleihen kam es zu einem Renditeanstieg um bis zu plus 0,66 Prozent. Man sollte aber berücksichtigen, dass damals die konjunkturelle Lage in der Eurozone deutlich schlechter war als heute. Daher kommt es sehr stark auf das wirtschaftliche Umfeld an, das dann herrscht, wenn Draghi den Ausstieg verkündet. Zumindest kurzfristig dürfte aber eine Tapering-Ankündigung Aktien- und Rentenmärkte belasten.

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Chart: Rückblick auf 2013 – DAX (blaue Linie, linke Skala) und 10-jährige Bundesanleihe[/caption]

Antizyklisches Verhalten wichtig

Insbesondere im Vorfeld von strukturellen Veränderungen an den Kapitalmärkten ist es für Anleger wichtig, ihre Strategie mit den persönlichen Rendite- und Risikovorstellungen sowie der individuellen Lebenssituation abzugleichen. Hektische Betriebsamkeit ist fehl am Platz, war die kurzfristig negative Marktreaktion 2013 an den Aktienmärkten bereits nach fünf Monaten wieder aufgeholt. Antizyklisch orientierte Anleger können eine solche Situation an den Aktienmärkten jedoch dazu nutzen, ihre Aktienquote im Rahmen eines Rebalancing-Konzepts taktisch wieder aufzustocken.

Duration im Anleihebereich prüfen

Im Bereich der Anleihen sollten Anleger die Duration ihres Portfolios prüfen. Je länger die Duration desto stärker können vorübergehende Kursrückgänge aufgrund eines Zinsanstiegs ausfallen. Taktisch können sich Anleger mit variabel verzinslichen Floatern von Unternehmen oder ausgewählten Hybridanleihen mit einer variablen Zinskomponente in der Zukunft, was zum Beispiel bei „Perpetuals“ mit einem Schuldnerkündigungsrecht oftmals der Fall ist, positionieren. Doch gerade bei Hybridanleihen ist eine fortlaufende Analyse der Unternehmensbonität sehr wichtig, weshalb sie sich nur zur Depotbeimischung anbieten.

Fremdwährungen beimischen

Anleger können auch ausgewählte Fremdwährungsanleihen zur Depotbeimischung nutzen, um eventuellen Turbulenzen im Euro-Raum, die rund um das Tapering auftreten können, auszuweichen. Jedoch muss beachtet werden, dass derzeit an wichtigen Devisenmärkten, wie beim US-Dollar, eine sehr hohe Volatilität herrscht.

Fazit: All diese Maßnahmen sollten daher rein taktischer Natur sein und sich auf einen Teil des Portfolios begrenzen. Die Ausrichtung der Anlagestrategie muss sich weiterhin an der persönlichen Lebenssituation eines Anlegers orientieren. Auch nach dem „Einstieg zum Ausstieg“ gilt der alte Grundsatz im Portfoliomanagement: Strategie geht vor Marktbewertung.

Kolumne von Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung