Startschuss 2024 mit einer guten Balance aus Aktien und Renten

18.12.2023

Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management

2022 und 2023 waren keine einfachen Jahre auf den Kapitalmärkten. Insbesondere die geopolitischen Krisen und die Inflationsthematik bestimmten das Geschehen. Zeit für eine Verortung zum Jahreswechsel. Was bringen Renten und Aktien im kommenden Jahr? Viele Fragen, die finanzwelt Mitte November in Frankfurt mit Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, erörterte.

finanzwelt: Im Jahresverlauf haben wir sinkenden Inflationszahlen gesehen. Die Notenbanker beließen zuletzt die Zinsen auf ihrem Niveau. Ist das nach Ihrer Meinung und zum jetzigen Stand die endgültige Flughöhe für diesen Zyklus?

Tilmann Galler» Mit Blick auf die USA lässt sich festhalten, dass die Inflationsentwicklung vorerst an Schärfe verloren hat. Wir nähern uns langsam dem Inflationsziel an. Insofern spricht einiges dafür, dass die Fed jetzt erstmal abwartet. Dennoch glaube ich, dass noch eine gewisse Unsicherheit an den Märkten dahingehend auszumachen ist, wie lange die Zinsen auf diesem höheren Niveau verharren. Und wir gehen davon aus, dass wir jetzt eher mit einem Zinsplateau rechnen müssen und dass die Zinsen bis weit in das nächste Jahr hinein auf diesem hohen Niveau bleiben werden. Hinzu kommt, dass die Regierung in den Vereinigten Staaten die Nachfrage durch Investitionsprogramme stärkt; das wirkt natürlich dem geldpolitischen Ziel der Zentralbank entgegen.

finanzwelt: Und die Haltung der EZB in diesem Zusammenhang?

Galler» Die EZB befindet sich in einer ähnlichen, wenn nicht sogar schwierigeren Lage. Zum einen muss man feststellen, dass wir auf dem europäischen Kontinent generell dem Inflations- und Zinszyklus hinterherhängen. Hinzu kamen Sondereffekte durch den Krieg in der Ukraine. In der Summe ist die Inflation im Euroraum zuletzt zwar unter die 3 % gerutscht, aber das ist lediglich eine Momentaufnahme. Bereits jetzt haben wir in den USA gesehen, dass durch Basiseffekte die Inflation wieder leicht angestiegen ist. Das wird auch in Europa – zeitverzögert – in den Wintermonaten der Fall sein. Mitunter bedeutsamer für die mittelfristige Einschätzung der Inflationsdynamik ist zudem, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Die Notenbanken werden verstärkt das Augenmerk auf diesen Verlauf legen.

finanzwelt: Blicken wir auf die einzelnen Assetklassen. Zunächst die Aktienmärkte. DAX & Co. haben sich zuletzt wieder stabilisiert. Mehr Schein als Sein?

Galler» Dazu möchte ich kurz ausholen. Vor einem Jahr war es nahezu Konsens, dass eine (härtere) Rezession kommt. Wider Erwarten stellten wir aber fest, dass die globale Wirtschaft sich 2023 doch robuster zeigte, als man das erwartet hat. Insbesondere in den USA. Die Unternehmen konnten die Preissteigerungen, oft zum Leidwesen der Verbraucher, weitergeben und ihre Ertragslage blieb verhältnismäßig stabil. Der überzogene Pessimismus zur Jahreswende 2022/23 hatte die Märkte dazu verleitet, die Widerstandsfähigkeit und Agilität vieler Unternehmen zu unterschätzen. Es gab zahlreiche positive Signale, die dann auch den Aktienmarkt beflügelt haben. Mit Blick nach vorne gehen wir in unserem Basisszenario von einer moderaten Rezession 2024 aus. Von daher würden wir den Fokus auf Qualitätsaktien, Stichwort: Dividendentitel, legen; Werte, die rentabler sind als der Durchschnitt. Aktien, die eine geringere Verschuldung aufweisen und andererseits auch weiterhin über das Potenzial verfügen, gut zu wachsen.

finanzwelt: Ich möchte noch einmal kurz auf die globale Wirtschaftslage zurückkommen. Alle Welt starrte lange Jahre gebannt auf China. Nun ist die Euphorie gewichen; die Realität hält in Peking Einzug.

Galler» China sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. In erster Linie ist hier die schwelende Immobilienkrise zu nennen. Der Immobilienmarkt hat für China eine erhebliche Relevanz. Nicht nur, weil darin einer der Hauptgründe für dieses Turbowachstum der vergangenen Dekade lag. Ein wesentlicher Teil der chinesischen Vermögen ist in der Immobilienbranche allokiert. Die Regierung und die Notenbank sind jetzt in der Pflicht, angemessen zu reagieren. Und sie stützten den angeschlagenen Immobilienmarkt mit mehreren Maßnahmen. So beispielsweise, indem sie die bislang geltenden Regeln für die Vergabe von Hypotheken lockert und die Finanzierungskosten senkt, um damit das Vertrauen wiederherzustellen. Gelingt das nachhaltig, sind die Vorzeichen für den chinesischen (Aktien-) markt mittel- bis langfristig durchaus gut.

» Der überzogene Pessimismus zur Jahreswende 2022/23 hatte die Märkte dazu verleitet, die Widerstandsfähigkeit und Agilität vieler Unternehmen zu unterschätzen. «

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