Stärkerer Fokus auf die Rentenphase

03.05.2023

Christian Nuschele, Head of Distribution der Standard Life in Deutschland

Nicht nur in der Ansparphase, sondern auch in der Rentenphase ist die Fondspolice die erste Wahl und eine große Chance für den Berater, meint Christian Nuschele, Head of Distribution der Standard Life in Deutschland. Und dafür führt er im finanzwelt-Interview viele gute Gründe an. Außerdem erzählt er aus erster Hand über die britischen Erfahrungen mit dem Provisionsverbot. Eigentlich eine Pflichtlektüre für Ihren Bundestagsabgeordneten.

finanzwelt: Die Inflation hält sich hartnäckig, die Leitzinsen steigen, Deutschland steht am Rande einer Rezession: Ist die Fondspolice, die ja vor allem auf die Entwicklung an den Aktienmärkten setzt, wirklich das zeitgerechte Instrument zur Altersvorsorge?

Christian Nuschele» Davon bin ich fest überzeugt. Um erfolgreich fürs Alter vorzusorgen, müssen Kundinnen und Kunden an den internationalen Kapitalmärkten investieren. Trotz aller kurzfristiger Schwankungen liefern diese Investments langfristig die notwendige Performance, um die Vorsorgelücke schließen zu können. Fondspolicen bieten aber mehr als attraktive Anlagemöglichkeiten. Mit ihnen ist die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos möglich, sie überzeugen durch eine hohe Flexibilität und Kundinnen und Kunden profitieren zusätzlich von Steuervorteilen. Dieses Gesamtpaket macht Fondspolicen unverändert zur geeigneten Vorsorgelösung.

finanzwelt: Glauben Sie, dass angesichts der weiter steigenden Leitzinsen die klassische Lebensversicherung mit ihrem garantierten Zins zurückkommen wird?

Nuschele» Nein, das halte ich aus mehreren Gründen für unwahrscheinlich. Zum einen erwarten Ökonomen, dass in diesem Jahr der Höhepunkt bei den Zinsen erreicht sein wird und die Zinsen dann konstant bleiben oder sogar wieder fallen werden. Zum anderen sind klassische Produkte auch bei leicht gestiegenen Zinsen vor dem Hintergrund der hohen Inflation unattraktiv und sorgen bei den Kundinnen und Kunden für einen realen Kaufkraftverlust. Dies war in den letzten Jahren übrigens auch bei niedrigen Zinsen und geringerer Inflation der Fall. Last but not least war von Seiten der meisten Versicherer bereits zu hören, dass klassische Produkte trotz höherer Zinsen nicht mehr angeboten werden.

finanzwelt: Profitieren Kunden von Standard Life von den zuletzt gestiegenen Leitzinsen?

Nuschele» Ja, wir haben uns dabei sehr stark auf die Rentenphase fokussiert und in den vergangenen Monaten gleich zweimal den Zins für unsere Rentenzahlungen erhöht. Seit 1. Dezember 2022 gilt ein Rentenzins von 1,75 %. Damit bieten wir eine der besten, in voller Höhe garantierten Renten an. Dies ist ein Beleg dafür, dass wir inzwischen wieder einen deutlich größeren Fokus auf das Thema Verrentung legen. Ich bin mir sicher, dass Standard Life auch im Bereich der Verrentung künftig immer häufiger die erste Wahl sein wird.

finanzwelt: Deutschland wird immer älter. Warum können Fondspolicen für den Übergang in die Rentenphase die richtige Lösung sein?

Nuschele» Zunächst einmal ist es wichtig, sich die Auswirkungen der längeren Lebenserwartung zu vergegenwärtigen. Wenn Menschen in den Ruhestand gehen, haben sie meistens noch eine Lebenserwartung von ca. 20 Jahren oder vielleicht sogar mehr. Dies ist ein zu langer Zeitraum, um das Geld konservativ anzulegen und damit zu riskieren, dass das über Jahrzehnte angesparte Vermögen an Kaufkraft verliert. Also macht es auch hier durchaus Sinn, zumindest teilweise renditeorientiert investiert zu bleiben. Darüber hinaus bieten Fondspolicen noch die Möglichkeit einer steueroptimierten Vermögensübertragung an die nachfolgenden Generationen. Grundsätzlich gilt, dass die Ruhestandsphase häufig noch nicht ausreichend geplant ist und für Beraterinnen und Berater ein sehr großes Geschäftspotenzial besteht.

finanzwelt: Kundinnen und Kunden stehen vor der Wahl, ihr Kapital zu verrenten oder ihr Kapital womöglich auszahlen zu lassen. Als Produktlösungen stehen beispielsweise eine sofort beginnende Rente oder auch eine Lebensversicherung mit Auszahlplan zur Wahl. Was würden Sie empfehlen?

Nuschele» Das lässt sich nicht so pauschal beantworten. Es hängt beispielsweise davon ab, welche Rentenzahlungen die Kundinnen und Kunden bereits aus der gesetzlichen Rente oder anderen Verträgen haben und wie viel Liquidität im Alter benötigt wird. Grundsätzlich denke ich, dass eine Rente dafür genutzt werden sollte, laufende fixe Ausgaben im Alter wie beispielsweise für Miete, Lebensmittel und die Mobilität zu decken. Die Rente sollte aber auf ein notwendiges Maß reduziert werden. Alles, was darüber hinaus geht, würde ich in eine fondsgebundene Lebensversicherung investieren. Hier kann das Geld weiter renditeorientiert angelegt werden, man hat aber dank flexibler Auszahlungen die Möglichkeit, an das angesparte Vermögen zu kommen. Es gilt also, kundenindividuell die optimale Kombination zu finden. Auch dies bietet eine große Chance für den Berater.

finanzwelt: Es wird aktuell wieder auf europäischer Ebene über ein Provisionsverbot diskutiert. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Nuschele» Es hat sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet, dass das Thema wieder auf die politische Agenda kommen wird. Ich bleibe aber bei meiner Auffassung, dass es keinen Grund für die Einführung des Provisionsverbotes gibt. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Unabhängige Berater leisten mit ihrer qualitativ hochwertigen Beratung eine sehr wichtige Tätigkeit, die auch entsprechend vergütet werden sollte – ob in Form einer Provision oder eines Honorars ist aus meiner Sicht von der jeweiligen Situation abhängig. Grundsätzlich sollte also das Nebeneinander von Provision und Honorar weiter bestehen bleiben.

finanzwelt: Welche Erfahrungen hat Standard Life als vor allem in Großbritannien stark vertretene Marke mit dem Provisionsverbot dort gemacht?

Nuschele» Die Erfahrungen mit der Retail Distribution Review, in deren Rahmen das Provisionsverbot eingeführt wurde, sind sehr ambivalent. Positiv zu beurteilen ist, dass die Qualifizierung und Professionalisierung der britischen Berater deutlich zugenommen hat und damit auch die Qualität der Beratung gestiegen ist. Auch die Transparenz hat sich noch einmal erhöht. Negativ ist demgegenüber, dass eine Beratungslücke („advice gap“) entstanden ist. Der Großteil der Bevölkerung kann oder will sich die Honorarberatung nicht leisten. Laut den letzten Berechnungen werden aktuell gerade einmal 8 % von unabhängigen Beratern beraten. Daher ist es auch sehr erstaunlich, dass der deutsche Verbraucherschutz die britischen Erfahrungen immer als positives Beispiel erwähnt. (lvs)