Stabilität durch Diversifikation

16.08.2024

Michael Keune, Managing Director bei Catella Residential Investment Management GmbH und Matthias Brodeßer, Head of Transaction Management Office International bei HIH Invest Real Estate GmbH

Die Immobilienmärkte in Deutschland stagnieren. Wie reagieren Immobilieninvestoren auf die durchwachsene Marktlage? Welche Teilmärkte sind für Investoren aussichtsreich? Lohnen sich Investitionen im europäischen Ausland? Matthias Brodeßer, Head of Transaction Management Office International bei HIH Invest Real Estate GmbH, und Michael Keune, Managing Director bei Catella Residential Investment Management GmbH, sprechen mit finanzwelt über die aktuellen Entwicklungen im Büro und Wohnungsmarkt.

finanzwelt: Deutschlands Konjunktur stottert, und auf den deutschen Märkten für Büroimmobilien sind die Investoren nach wie vor sehr zurückhaltend. Herr Brodeßer, woran liegt das?

Matthias Brodeßer» Die deutschen Büromärkte haben die Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 recht gut überstanden und verzeichneten danach mehr als zehn Jahre hohe Mittelzuflüsse. Die negativen Auswirkungen des Konjunktureinbruchs durch die Corona-Pandemie auf die Büromärkte konnten trotz Zunahme des Homeoffice-Anteils kurze Zeit später wieder ausgeglichen werden. Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Konjunktur, Inflation und Zinspolitik werden dagegen als langfristige Bedrohungen für die deutsche Wirtschaft gesehen und verunsichern auch Büroinvestoren nach wie vor.

finanzwelt: Wann wird sich aus Ihrer Sicht die Situation wieder beruhigen?

Brodeßer» Die Zuversicht ist dann wieder zurück, wenn sich die ersten Investoren aus der Deckung wagen, um günstig einzukaufen oder Veräußerungen wegen auslaufender Finanzierungen notwendig werden. Dann kommt es zur Bodenbildung bei den Immobilienpreisen, die der Büromarkt derzeit dringend benötigt. An den aktuell weiter sinkenden Transaktionszahlen bei Büroimmobilien ist allerdings ablesbar, dass die Unsicherheit noch nicht vorüber ist.

finanzwelt: Herr Keune, gerade der Wohnungsmarkt wird in schwierigen Zeiten immer wieder als sicherer Hafen gepriesen. Bleibt es dabei?

Michael Keune» Die Wohnimmobilienmärkte sind ebenfalls von den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen betroffen, die Matthias Brodeßer gerade angesprochen hat. Kaufkraftverluste, gestiegene Baukosten, das gestiegene Zinsniveau und die Regulatorik sind zurzeit die größten Herausforderungen. Dennoch bleiben wir in Deutschland stark in Wohnimmobilien investiert. Ich sage das nicht aus Zweckoptimismus, sondern weil die Fundamentaldaten stimmen: Marktliquidität und Wohnungsnachfrage bleiben außerordentlich hoch. Auf der Angebotsseite sehen wir zudem eine stark rückläufige Bautätigkeit.

finanzwelt: Trotzdem haben auch Wohnimmobilieninvestoren mit sinkenden Preisen zu kämpfen. Wie reagieren Sie darauf?

Keune» Die Preise sinken nicht auf breiter Front, sondern am stärksten in Märkten, in denen das Verhältnis zwischen Kaufpreisen und erzielbaren Mieten aus dem Ruder gelaufen ist. Das betrifft vor allem Wohnungen, die in der Spätphase des letzten Aufschwungs und der Niedrigzinsphase mit einem hohen Fremdfinanzierungsanteil hoch spekulativ errichtet oder erworben wurden. Das hat mit der fundamental begründeten Angebots- und Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt wenig zu tun. Es entspricht einer Korrektur, die auf eine Übertreibung folgen kann und zur Marktbereinigung auch folgen sollte, um wieder Vertrauen in die Märkte und Preise zurückzugewinnen. Rücksetzer gibt es auch bei Ein- und Mehrfamilienhäusern älterer Baujahre mit Sanierungsstau. Hier verstärken die Nachhaltigkeitsregulatorik und die stark gestiegenen Baukosten die Unsicherheit. Wir reagieren darauf mit Diversifikation und Fokussierung auf zukunftsfähige Teilsegmente. Stabilität versprechen aktuell zum Beispiel Wohnungen für Studenten und Senioren. In Krisenzeiten hat Bildung Konjunktur und die alternde Bevölkerung sorgt für einen langfristig weiter steigenden Bedarf an seniorengerechten Wohnungen.