"Sobald die Zinsen steigen, werden die Vorteile zu Nachteilen"

21.03.2019

Dr. Horst Marschner / Foto: © Universität Münster

…und für Privatpersonen?

Marschner: Auch für Mieter ergeben sich gegebenenfalls Folgen im Falle eines plötzlichen Preisverfalls. Bisher sind die Preise der Wohnimmobilien deutlich stärker gestiegen als die Mieten selbst. Wenn sich in Folge einer Krise das Angebot an Wohnraum nicht weiter vergrößert, würden bei ungebremster Nachfrage die Mieten unabhängig von der Preisentwicklung der Immobilien weiter steigen. Die Gesetzgebung hat allenfalls einen leicht dämpfenden Einfluss, beispielsweise durch die Mietpreisbremse oder die bereits bestehenden Vorschriften über die zeitliche Begrenzung von Mieterhöhungen. Für Wohneigentümer wären die Auswirkungen weniger dramatisch, sofern der Wertverlust der Immobilie nicht zu Rückzahlungsansprüchen der Kreditgeber bei bestehenden Finanzierungen oder einer Erhöhung der Finanzierungskosten führt.

Wie kann man diese Gefahren bannen beziehungsweise besser einschätzen?

Marschner: Eine Möglichkeit ist die Etablierung von sogenannten Stresstests – wie sie im Finanzsektor schon lange verpflichtend sind. In meiner Arbeit habe ich erstmals diese Art von Stresstests, die eine quantitative Risikoanalyse ermöglichen, auf zwölf große deutsche Wohnungsunternehmen angewandt. Dabei zeigte sich, dass die Unternehmen im öffentlichen Eigentum relativ stabil sind– im Gegensatz zu den börsenorientierten Unternehmen. Dabei sind die Art und Struktur der Finanzierung von besonderer Bedeutung für die Krisenanfälligkeit der Unternehmen. Es ist sinnvoll, eine Risikostreuung nach Kapitalgebern, Betragshöhen und Fälligkeiten vorzunehmen und auf Finanzierungsformen zu achten, die mit möglichst wenig Auflagen verbunden sind.

Wem nutzen diese Erkenntnisse?

Marschner: Die Erkenntnisse aus den Stresstests dienen vor allem der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern der Wohnungsunternehmen und deren Gremien, zum Beispiel Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder Betriebsrat, sowie unterschiedlichen Interessengruppen, zum Beispiel Kunden, Mietern oder Lieferanten. Eigentümer einer oder einigen wenigen Immobilien profitieren ebenfalls von den Analysen, wenn auch nicht für jeden Eigentümer ein solcher Stresstest sinnvoll ist. Es sollten immer die spezifischen Gegebenheiten und Wirkungszusammenhänge sowie die Risikoneigung berücksichtigt werden, um die Auswirkungen der beabsichtigten Maßnahmen auf Vermögen, Ertrag und Liquidität ermitteln und einordnen zu können.