So funktioniert Rechtsprechung bei der BU

19.11.2018

Claus-Dieter Gorr, geschäftsführender Gesellschafter PremiumCircle Deutschland GmbH / Foto: © PremiumCircle

Claus-Dieter Gorr zählt zu den größten Kritikern der Versicherungen im Bereich BU. Warum es in diesem Bereich so häufig zu Rechtsstreitigkeiten kommt und wie sich diese möglicherweise reduzieren lassen, darüber sprach der geschäftsführende Gesellschafter von PremiumCircle mit finanzwelt.

finanzwelt: Sie kritisieren immer wieder eindringlich die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und zahlreichen und unverbindlichen Formulierungen bei der BU-Versicherung. Jedoch ist die BU ein sehr komplexes Produkt und jeder Fall ist sehr individuell. Deshalb wird häufig argumentiert, dass die Formulierungen sehr vage gehalten werden müssen, damit die BU-Versicherung im Leistungsfall nicht zu viel ausschließen muss. Denken Sie, dass ein vollständiger Verzicht auf die unbestimmten Begriffe und unverbindlichen Formulierungen überhaupt möglich ist und trotzdem eine ausreichende Leistung in der BU-Versicherung erzielt werden kann?

Claus-Dieter Gorr: Es liegt ja auf der Hand weshalb die Versicherer so argumentieren: die Risikogewinne aus der Berufsunfähigkeitsversicherung sind für viele Versicherer aktuell überlebenswichtig. Je unverbindlicher die Vertragsbedingungen sind, desto größer ist deren Auslegungs- und Regulierungsspielraum und damit auch die Möglichkeiten der Ertragssteuerung.

Unser 3. Rechtssymposium am 07.11.2018 hat ja erneut bestätigt, dass gerade in der Berufsunfähigkeitsversicherung die Fülle an unverbindlichen Formulierungen und unbestimmten Rechtsbegriffen zu einer ebensolchen Fülle von Gerichtsurteilen führt. Das ist in keiner anderen Versicherungssparte so auffällig wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine interne Analyse von PremiumCircle hat ergeben, dass manche Versicherer rund 70 Unverbindliche Formulierungen und unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, andere nur 30. Allein das zeigt ja, dass es möglich ist. Hinzukommt, dass es inzwischen eine Reihe von Gerichtsentscheidungen gibt, die noch immer keinen Eingang in die aktuellen AVB gefunden haben. Insgesamt bleibt in den AVB der BU-Versicherungen also sehr viel Luft nach oben.

finanzwelt: Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, dass die BU-Versicherung nicht mehr so häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten ist?

Gorr: Die Produkt- und Leistungsbeschreibung muss erheblich konkretisiert und verständlicher formuliert werden. Bei Vertragsabschluss müssen im Rahmen der medizinischen Prüfung die gleichen Voraussetzungen gelten wie bei der Leistungsprüfung. Versicherte müssen verbindlich wissen, welche Nachweise während der Vertragslaufzeit laufend zu sammeln sind, um sie im Leistungsfall auch erbringen zu können. Das gilt auch für die Befund- und Detailtiefe von medizinischen Unterlagen. Ebenso müssen die BU-Regulierungsprozesse der Versicherer transparent werden, beispielsweise was die Qualifikation des Regulierungspersonals betrifft, welche Gutachter und Berufskundler beauftragt werden etc. Hinzukommt, dass bei den abnorm langen Bearbeitungszeiten der Branche dringend ein Falltrecking erforderlich ist. Versicherte müssen gerade im Leistungsfall wissen, was sie im Entscheidungsprozess selbst zur Fallbeschleunigung beitragen können.

finanzwelt: Inwieweit hoffen Sie auf die Politik, um die Situation in der BU zu verbessern?

Gorr: Im Sinne der schutzbedürftigen Verbraucher wird die Politik den Druck erhöhen. Ich bin überzeugt, dass das spätestens in der nächsten Legislaturperiode der Fall sein wird. (ahu)

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