Sachkundeprüfung: „Der praktische Teil ist die größere Hürde!"
17.07.2013
Um eine Erlaubnis für den Vertrieb von Vermögensanlagen zu erhalten, müssen freie Vermittler seit Jahresbeginn eine Sachkundeprüfung vor der IHK ablegen, sofern sie keine „gleichgestellten Berufsqualifikationen" (z. B. Bankkaufmann) nachweisen können. finanzwelt sprach mit Jörn André Le Cerf, stellvertretender Geschäftsführer des Geschäftsbereichs Börse der Handelskammer Hamburg, über Ablauf und Hürden der Prüfung.
finanzwelt: Wie läuft die Sachkundeprüfung in der Praxis ab?
Le Cerf: Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem praktischen Teil, die in der Regel an zwei aufeinanderfolgenden Tagen absolviert werden. Die praktische Prüfung kann nur angetreten werden, wenn der schriftliche Teil bestanden wurde. Die schriftliche Prüfung ist in mehrere Teile gegliedert. Für alle Prüflinge obligatorisch ist ein allgemeiner Teil mit 20 Multiple- oder Single-Choice-Fragen zu Kenntnissen in der Kundenberatung und fachlichen Kenntnissen über Beratung und Vertrieb von Finanzanlageprodukten. Darüber hinaus gibt es Prüfungsteilemit jeweils 30 Fragen für die vom Vermittler gewählten Kategorien „offene Investmentfonds", „geschlossene Fonds" und „sonstige Finanzanlagen". Entscheidend für die Möglichkeit zur Vermittlung bestimmter Vermögensanlagen sind die vom Vermittler bei der Erlaubnis beantragten Kategorien, für die er die Sachkunde nachgewiesen hat. Ein Vermittler, der sich in der Prüfung auf geschlossene Fonds beschränkt hat, muss also zunächst die Sachkunde auch für Investmentfonds und sonstige Vermögensanlagen nachweisen, bevor er diese vermitteln kann. Die praktische Prüfung besteht aus einem simulierten Beratungsgespräch vor einem ehrenamtlichen, dreiköpfigen Prüfungsausschuss. Hier soll der Prüfling nachweisen, dass er bedarfsgerecht beraten kann und seinen Informationspflichten nachkommt. Rund 20 Minuten vor dem Beratungsgespräch erhält er eine Fallvorgabe mit wesentlichen Eckdaten zum Kunden. Diese Fallvorgaben sind auf unserer Website www.hk24.de hinterlegt. Um eine bedarfsgerechte Lösung zu erarbeiten, sind vom Testkunden in der Prüfung ergänzende Angaben zu seinen persönlich-finanziellen Lebensumständen, zu seiner Risikobereitschaft etc. zu erfragen. Persönliche Zuverlässigkeit und geordnete Vermögensverhältnisse sind keine Voraussetzungen, um an der Sachkundeprüfung teilzunehmen. Allerdings nützt der Abschluss in der Praxis wenig, wenn aufgrund fehlender persönlicher Zuverlässigkeit oder geordneter Vermögensverhältnisse keine Erlaubnis zur Ausübung des Gewerbes erteilt wird.
finanzwelt: Wer gehört dem Prüfungsausschuss an?
Le Cerf: Ein Vorsitzender, ein Protokollführer und ein Prüfer, der einen „wohlmeinenden Durchschnittskunden" spielt. Unsere Prüfer sind selbst Finanzanlagenvermittler, freie Berater oder Trainer in den Unternehmen oder bei privaten Anbietern. Wir haben aber auch einige Buchprüfer oder Rechtsanwälte in unserem Prüferpool. Bei der Organisation der Prüfungen wird nicht nur auf eine gute Mischung der Prüfer geachtet, sondern auch darauf, dass die Kandidaten nicht von dem Ausschuss geprüft werden, in dem ihr eigener Ausbilder sitzt.
finanzwelt: Wie viele Vermittler haben die Prüfung bisher abgelegt?
Le Cerf: Bislang haben in Hamburg rund 70 Teilnehmer die Sachkundeprüfung absolviert.
finanzwelt: Wie sind die Prüfungen bisher gelaufen? Wie hoch war die Durchfallquote?
Le Cerf: Die Prüfungen sind problemlos gelaufen, die Durchfallquote liegt bei rund 20 Prozent. Aufgrund der noch relativ geringen Zahl an Prüfungen hat diese Größe nur begrenzte Aussagekraft.
finanzwelt: Wie schätzen Sie die Qualität der Prüflinge ein?
Le Cerf: Nach unseren bisherigen Erfahrungen sind die meisten Prüflinge gut vorbereitet – entweder durch Schulungen in ihren Gesellschaften, bei privaten Anbietern oder durch eigene Vorbereitung.
finanzwelt: In welchen Bereichen haben Prüflinge die größten Defizite?
Le Cerf: Generell scheint der praktische Teil die größere Hürde zu sein als der schriftliche Teil. Die Herausforderung besteht darin, in der relativ kurzen Prüfungszeit von 20 Minuten den Bedarf des Kunden zu ermitteln und passende Lösungen anzubieten.
finanzwelt: Wie können diese Defizite am besten behoben werden?
Le Cerf: Es kann helfen, in der Gruppe mit anderen Vermittlern oder in Seminaren die Gesprächsführung zu üben und die zentralen Inhalte guter Beratungsgespräche zu verinnerlichen. Auf unserer Website ist ein Protokollbogen mit den Kriterien zur Bewertung der Prüfungsgespräche eingestellt.
finanzwelt: Wie schnell und wie häufig kann die Prüfung wiederholt werden?
Le Cerf: Die Prüfung kann beliebig oft und ohne Sperrzeiten absolviert werden.
finanzwelt: Wie häufig finden die Prüfungen statt? Wie hoch sind die Kosten?
Le Cerf: Die Prüfungen finden bundeseinheitlich an acht Terminen pro Jahr statt. Dabei bietet nicht jede IHK an jedem Termin Prüfungen an. Grundsätzlich kann die Prüfung an jedem Ort abgelegt werden. Es wäre sogar möglich, die schriftliche und die praktische Prüfung an unterschiedlichen Terminen und Orten zu absolvieren. Die Gebühren betragen in Hamburg für eine Vollprüfung, d. h. schriftlich und praktisch, zwischen 320 und 380 Euro je nach Zahl der gewählten Kategorien. Die schriftliche Prüfung als Einzelnes kostet zwischen 220 und 250 Euro, die Wiederholung des praktischen Teils 180 Euro.
finanzwelt: Wie werden sich die Teilnehmerzahlen Ihrer Einschätzung nach entwickeln?
Le Cerf: Die Zahlen sind von Prüfung zu Prüfung gestiegen. Bislang haben die meisten Vermittler als Nachweismöglichkeit für ihre Sachkunde die „Alte-Hasen-Regelung" gewählt. Da diese Möglichkeit seit dem 01.07. wegfällt, werden die Teilnehmerzahlen weiter steigen. Grundsätzlich haben „Alt-Vermittler", also Inhaber einer Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung, nach ihrem bis zum 1. Juli gestellten Erlaubnisantrag bis zum 01.01.2015 Zeit, ihre Sachkunde nachzuweisen. Spätestens für die zweite Jahreshälfte 2014 erwarten wir daher eine Anmeldewelle. Wir würden aber allen Vermittlern raten, die Sachkundeprüfung rechtzeitig abzulegen und nicht auf den letzten Termin im Jahr 2014 zu verschieben. Unabhängig von den begrenzten Kapazitäten besteht ja die Möglichkeit, die Prüfung nicht zu bestehen. In diesem Fall darf ab dem 01.01.2015 nicht mehr vermittelt werden. Wer dies trotz fehlenden Sachkundenachweises tut, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern riskiert auch, dass seine Berufshaftpflicht bei Beratungsfehlern nicht einspringt und er persönlich haftet.
Kurz und bündig
- Persönliche Zuverlässigkeit und geordnete Vermögensverhältnisse sind zwingende Voraussetzungen für die Erteilung der Gewerbeerlaubnis. Die persönliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens oder Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betrug, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers oder einer Insolvenzstraftat verurteilt wurde. Gegen den Antragsteller darf zudem kein laufendes oder abgeschlossenes Insolvenzverfahren anhängig sein und kein Eintrag im Schuldnerverzeichnis vorliegen.
- Ein Vermittler, der sich in der Sachkundeprüfung auf geschlossene Fonds beschränkt hat, darf keine Investmentfonds oder sonstige Vermögensanlagen vermitteln. Tut er dies doch, haftet die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nicht.
(Das Interview führte Kim Brodtmann)