Russisch Roulette

26.10.2021

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Ein simpler Blick in die entsprechende GDV-Statistik deckt schonungslos auf, wie miserabel die Deutschen gegen Invalidität abgesichert sind. Die Deutsche Aktuarvereinigung hat deswegen kürzlich Alarm geschlagen. Vielfach liegt das auch an einer krassen Fehleinschätzung zur Leistungsfähigkeit von Unfallversicherungen. Sie sind kein Allheilmittel.

Die Berufsunfähigkeit (BU) bleibt für die Deutschen eine der größten finanziellen und zugleich am stärksten unterschätzten Gefahren. Das belegen die im Juli vorgestellten Untersuchungen der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV). Demnach wird bis zum Renteneintritt jeder Vierte mindestens einmal in seinem Arbeitsleben berufsunfähig. „Ohne eine entsprechende Absicherung sind das für die meisten kaum zu kompensierende Einschnitte im Haushaltseinkommen und für Alleinverdiener oder Singles kann das sogar den Ruin bedeuten“, fasst der DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann die Situation zusammen. Vor diesem Hintergrund zeigt er sich überrascht, dass es hierzulande nach Daten des GDV im Jahr 2019 nur rund 17 Millionen Versicherungsverträge gab, die gegen eine Invalidität absichern – bei über 45 Millionen Erwerbstätigen. „Die Menschen versichern ihr Smartphone, aber nicht ihre Arbeitskraft und damit ihre Existenzgrundlage“, betont Dr. Schneidemann. Dabei hat das Risiko, berufsunfähig zu werden, teilweise sogar zugenommen. So haben Frauen bis zu ihrem 40. Geburtstag im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung vor 20 Jahren ein um über 30 % erhöhtes BU-Risiko. „Denn in dieser Versichertengruppe sind laut Daten der Rentenversicherung erheblich mehr Schadenfälle aufgrund psychischer Erkrankungen festzustellen“, erläutert Dr. Schneidemann. Bei Männern gibt es hingegen in dieser Altersgruppe keine signifikanten Veränderungen.

Die Nerven spielen verrückt

Insgesamt resultiert derzeit beinahe jeder dritte BU-Leistungsfall (31,88 %) laut einer Untersuchung von Morgen & Morgen aus psychischen Erkrankungen. Noch vor zehn Jahren waren es nur circa 20 %. Wie aus den Daten der Rentenversicherung hervorgeht, waren Anfang der 1990er-Jahre noch körperliche Gebrechen die Hauptursache, warum jemand seine Arbeit aufgeben musste. Dr. Schneidemann verweist darauf, dass aus den vorliegenden DAV-Erkenntnissen keine Rückschlüsse auf mögliche Preisentwicklungen für den BU-Versicherungsschutz gezogen werden können, da die Prämien unternehmensindividuell berechnet werden und  von einer Vielzahl von Faktoren abhängen. Dazu gehört neben der Entwicklung des Rechnungszinses beispielsweise auch die Zusammensetzung des jeweiligen Kollektivs. Darüber hinaus zeigen die DAV-Untersuchungen: Die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer kehren nach einer BU-Erkrankung schneller in den Beruf zurück. 19 % nehmen binnen der ersten 24 Monate wieder ihren zuletzt ausgeübten Beruf auf. Vor 20 Jahren waren es nur 11 %. Anders verhält es sich aber bei Personen, die drei bis zehn Jahre berufsunfähig sind. Während nach der DAV-Tafel 1997 I rund 26 % der Invaliden in diesem Zeitraum in den Job zurückkehrten, sind es nach der neuen 16 %.

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