Rückenwind für Anleihen

20.12.2023

Nicola Mai, Economist bei PIMCO

2023 neigt sich dem Ende zu. Anleihen, die im vergangenen Jahr ordentlich unter die Räder kamen, haben in der Gunst der Investoren weiter Boden gut gemacht. Sind sie im Vergleich zur Assetklasse Aktien die „bessere“ Wahl? Nicola Mai, Economist bei PIMCO, stand der finanzwelt-Redaktion für ein ausführliches Interview zur Verfügung.

finanzwelt: Die Zentralbanken gelangen ans Ende ihrer Straffungszyklen. Was bedeutet das für Fixed Income global?

Nicola Mai» Nach unserer Einschätzung haben sowohl das Wachstum als auch die Inflation ihren Gipfel überschritten. Demnach sollte sich das Wachstum der einzelnen Industrienationen unterschiedlich stark verlangsamen und in bestimmten Fällen sogar schrumpfen. Die allgemeine Resilienz, die die Wirtschaft im laufenden Jahr auszeichnet, dürfte im nächsten Jahr einer Schwäche weichen, wenn die Konjunkturprogramme zurückgefahren werden und sich die verzögerten Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik stärker in der Weltwirtschaft niederschlagen. Da die Renditen – sowohl nominal als auch inflationsbereinigt – höher sind als in den letzten zehn Jahren und die Inflation nachlässt, blicken wir nun zuversichtlicher auf die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere. Wir positionieren unsere Portfolios wie immer für eine breite Palette makroökonomischer und marktspezifischer Entwicklungen, die über unser Basisszenario hinausgehen.

finanzwelt: Warum ist Fixed Income momentan die bessere Wahl im Vergleich zu Aktien?

Mai» Erstklassige Anleihenfonds rentieren heutzutage mit etwa 5 bis 8 %, was sie überaus interessant im Vergleich zu den erwarteten Aktienrenditen macht und Abwärtsschutz für den Fall einer Rezession bietet. Anleihen sehen angesichts der hohen Renditen von heute äußerst attraktiv aus, selbst wenn die Inflation nur bis zum oberen Ende unserer Prognosen zurückgeht, und können Anleger deutlich besser vor Unwägbarkeiten schützen. Außerdem ist davon auszugehen, dass Anleihen und Aktien wieder zu ihrer eher typischen inversen Korrelation zurückkehren – bei der Anleihen gut abschneiden, wenn sich Aktien schwertun, und umgekehrt –, wenn sich die Inflation im nächsten Jahr noch weiter auf die Ziele der Zentralbanken zubewegt.

finanzwelt: Die Renditen von US-Staatsanleihen sind auf Rekordniveau. Was sind die Gründe und was die Implikationen für Investoren?

Mai» Wir glauben, dass dieser Aufwind nicht vorrangig durch die Angst vor der Inflation oder möglichen Zinserhöhungen in den USA angetrieben wird. Er ist vielmehr den gesunkenen Rezessionserwartungen zuzuschreiben, was – entgegen der Intuition – das künftige Angebot an Staatsanleihen erhöhen könnte. Im Ergebnis verlangen Anleger eine höhere Prämie dafür, Papiere mit längerer Laufzeit zu halten. Aus unserer Sicht schafft die Versteilerung der Zinsstrukturkurve eine attraktive Gelegenheit für Geldmarktanleger, Vermögenswerte mit längerer Duration in ihr Portfolio aufzunehmen. Denn die Anfangsrenditen sind hoch, wenn man sie mit jenen der Vergangenheit und jenen anderer Anlageklassen auf risikobereinigter Basis vergleicht. Dies kann einen ‚Renditepuffer‘ in Zeiten mit noch immer sehr ungewissen Aussichten schaffen. Außerdem bieten Anleihen das Potenzial, Kapitalgewinne zu erzielen und Portfolios zu diversifizieren.

finanzwelt: Welche Regionen sind besonders aussichtsreich? 

Mai» In den letzten Wochen wurde der Anstieg der globalen Renditen von den Vereinigten Staaten angeführt, und die US-Duration birgt in sich bereits attraktives Renditepotenzial. Daneben sehen wir sehr gute Chancen in anderen Regionen – unter anderem in Australien, Kanada, Europa und Großbritannien –, was der unterschiedlichen Zinssensitivität zuzuschreiben ist sowie den verschiedenen Arten, auf die eine quantitative Straffung bzw. eine Veräußerung der Anleihenbestände aus den Zentralbankbilanzen erfolgt.

finanzwelt: Welche Durationen?

Mai» In der Duration werden wir erwartungsgemäß übergewichtet bleiben und jene Positionen aufstocken, deren Renditen noch weiter zulegen. Wir sind überzeugt, dass eine Diversifikation der Durationspositionen und der Renditekurvenpositionierung weitreichende Vorteile mit sich bringt, die Anleger in die Lage versetzen können, höhere risikobereinigte Renditen ins Visier zu nehmen.

» Wir glauben, dass die Risiken einer hohen Inflation und eines rückläufigen Wachstums zusehends symmetrisch verteilt sind, während die Anleihenrenditen und -bewertungen an Attraktivität gewinnen. «

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