Rohöl vor Aufwertung

28.06.2019

von Jon Andersson, Head of Commodities bei Vontobel Asset Management / Foto: © Vontobel Asset Management

Das kleinere Übel der beiden Möglichkeiten und die wahrscheinlichere Alternative ist die Verhängung zusätzlicher Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Wie wirksam diese sein werden, ist jedoch fraglich, da der wirtschaftliche Druck auf den Iran durch US-Sanktionen fast schon ein Maximum erreicht hat. Im Vergleich zu einem offenen militärischen Konflikt bietet diese Strategie jedoch zumindest die Chance, dass der Iran die Verhandlungen wieder aufnimmt, wenn auch nur in begrenztem Rahmen. Infolgedessen ist das wahrscheinlichere Ergebnis, dass wir in nächster Zeit öfter störende Ereignisse rund um die Straße von Hormuz sehen werden, die schließlich eine militärische Reaktion der USA erzwingen. Bei all diesen Szenarien ist das bestmögliche Ergebnis, auf das der Iran derzeit hoffen kann, dass wiederholte Unterbrechungen der Rohölversorgung für die Welt zu kostspielig werden, sodass sich die USA zum Rückzug gezwungen sehen oder China, Europa und andere Länder sich dazu genötigt fühlen, die US-Sanktionen zu umgehen, indem sie die eigenen Rohölimporte aus dem Iran erhöhen. In diesem Zusammenhang gibt es einige wichtige Daten und Fakten zu beachten, die einen großen Einfluss darauf haben werden, welche Schritte der Iran als nächstes unternimmt:

• 28. und 29. Juni, G20-Gipfel: Der Iran hat in China erhebliche Mengen an Rohöllagerbeständen aufgebaut, die relativ einfach an China verkauft werden könnten, wenn China die US-Sanktionen (und damit das Euro-Dollar/SWIFT-Zahlungssystem) umgehen will. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, hängt vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und China ab. Eine Eskalation des Handelsstreites zwischen beiden Ländern würde sicherlich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Chinesen das Euro-Dollar/SWIFT-Zahlungssystem umgehen, indem sie einen alternativen Transaktionsmechanismus einführen. Wir erwarten jedoch, dass auf dem G20-Gipfel eine freundliche Begegnung zwischen Donald Trump und Xi Jinping stattfindet, die eine Eskalation des Handelskrieges vorerst unwahrscheinlich macht.

• 7. Juli, Iran-Frist: Der Iran gab der EU eine Frist, um eine Antwort auf den Rückzug der USA aus dem iranischen Atomabkommen zu finden. Sollte sich die EU in Schweigen hüllen, könnte sich der Iran versucht fühlen, die Erdölverschiffung über die Straße von Hormuz weiter zu unterbrechen. Selbst wenn eine Möglichkeit zur Umgehung des Euro-Dollar/SWIFT-Zahlungssystems gefunden wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass die EU den Iran ausreichend in wirtschaftlicher Hinsicht unterstützen kann. Sollten die Angriffe in der Straße von Hormuz im Juli fortgesetzt werden, würde dies ein klares Signal an die Reeder senden, dass die Sicherheit beim Passieren der Straße von Hormuz nicht gewährleistet werden kann, solange die iranischen Ölexporte begrenzt sind.

Marktkommentar von Jon Andersson, Head of Commodities bei Vontobel Asset Management