Riskant ist nur die Ungeduld
12.07.2015
Gottfried Urban
Der schier endlose Streit um den Verbleib Griechenlands im Euro und der jüngste Aktiencrash in China verunsichern die Anleger. Und dabei hat doch Sicherheit gerade für die deutschen Investoren höchste Priorität. Doch was macht nun eine sichere Geldanlage aus? Viel wichtiger als das Markt-Timing ist dabei die Frage nach dem Anlagehorizont.
Seit Beginn der Finanzkrise hat sich dabei eine neue Anlagewelt entwickelt: Die traditionell als sicher geltende Zinsanlage wird umso riskanter, je länger das Geld investiert bleiben soll. Dagegen nimmt das Risiko bei Sachanlagen, wie Aktien und Immobilien, mit zunehmender Investitionsdauer ab.
DAX-Risiko nach 13 Jahren bei Null
In der Praxis sollten Anleger, die längerfristig Geld zurücklegen, einen neuen Blickwinkel einnehmen: Das Risiko umfasst nur den Verlust, der innerhalb des Anlagehorizontes nicht mehr aufgeholt werden kann. Am Beispiel des Deutschen Aktienindex (DAX): Auf Sicht von einem Jahr liegt die Verlustwahrscheinlichkeit im DAX bei über 30 Prozent. Wer aber mindestens 13 Jahre lang voll in diesem Index investiert war, hat immer mindestens sein Kapital nominal erhalten. Im Schnitt der vergangenen Dekaden verdienten DAX-Anleger acht bis zwölf Prozent jährlich - und das bei einer Bandbreite der Jahresergebnisse im Index zwischen 85 Prozent Zuwachs und fast 50 Prozent Minus.
Kaufen und liegen lassen
Trotzdem sollten Langfrist-Anleger keinerlei Markttiming vornehmen. Soll heißen: Die beste Strategie besteht darin, einen guten Index, einen gut diversifizierten Fonds oder ein breit aufgestelltes Qualitätsaktiendepot zu kaufen - und liegenzulassen. Das ergibt durchaus Sinn, denn der Wille zum Verkaufen ist immer bei sehr großer Unsicherheit stark ausgeprägt. Gekauft werden Aktien hingegen gerne, wenn die Wirtschaft gut läuft und keine Krise zu erahnen ist. Dieses zyklische Verhalten mindert jedoch das Renditepotenzial des Depots.
Aktien: Höhepunkt um 2020
Untersuchungen aus den USA zeigen folgende Ergebnisse: Immer wenn Zinsmärkte den Aktienmarkt klar hinter sich lassen, dann folgen auf Sicht von zehn Jahren hohe Mehrerträge bei Aktien zum Rentenmarkt. In den Jahren 2009 und 2010 haben Rentenpapiere gegenüber Aktien im rollierenden Zehnjahresvergleich die größte Outperformance gezeigt. Nach diesem Muster müsste der Aktienmarkt um das Jahr 2020 den größten Vorsprung auf den Zinsmarkt erreichen.
Meine Prognosen für die Zeit bis dahin:
- Aktien schlagen in den kommenden Jahren Anleihen.
- Die Rohstoffpreise bleiben schwach wegen des zwar stabilen, aber nicht boomenden Weltwirtschaftswachstums.
- Der Euro könnte sich erholen, wenn es eine klare Lösung für Griechenland gibt, wie auch immer sie ausfällt.
- Die Konjunktur in Euroland könnte wegen des starken US-Dollars und der niedrigen Rohstoffpreise positiv überraschen.
- Chinesische Aktien sind kurzfristig enorm volatil, profitieren aber langfristig von der chinesischen Wirtschafts- und Notenbankpolitik sowie der Konsumnachfrage.
Fazit: Die Party am Aktienmarkt ist also nicht vorbei. Der Treibsatz ist die Zinspolitik der Notenbanken in Euroland, in China und auch in Japan. Sobald mehr Klarheit für Griechenland besteht, sollten gerade die europäischen Aktienmärkte wieder nach oben marschieren. Klare Regeln für den Anlagehorizont, die Qualität des Investments und die Streuung von Risiken sind entscheidend für den Erfolg. Wer das entsprechende Depot nicht selbst zusammenstellen will oder kann, der sucht sich einen oder mehrere gute Aktienfonds oder aktienlastige Mischfonds aus.
Autor: Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG