Risiken offener Immobilienfonds

25.11.2024

Marc Schiefer, Rechtsanwalt | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: © TILP

Die Notenbanken reagierten auf die sprunghaft gestiegene Inflation mit dem größten Zinsanstieg seit fast 60 Jahren. Dies führte zu einem deutlichen Einbruch der Investorennachfrage nach Wohnimmobilien mit der Konsequenz, dass die Wohnimmobilienbewertungen im gesamten Markt sehr zügig unter Druck gerieten. Spätestens mit Beginn des Ukrainekrieges und dem unmittelbaren Anstieg der Energiepreise muss den Immobilienfonds unseres Erachtens jedoch der Ernst der Lage klar gewesen sein. Schon zu dieser Zeit hätte – aus unserer Sicht – daher zügig eine Neubewertung der Immobilien vorgenommen werden müssen, zumal eine Bewertung offener Immobilienfonds alle drei Monate zu erfolgen hat. Es stellt sich daher die Frage, weshalb Immobilienfonds nicht bereits im Laufe des Jahres 2022 entsprechend den Marktbedingungen abgewertet wurden. Offene Immobilienfonds werden nach wie vor des Öfteren mit der Risikoklasse „geringes Risiko“ und dem Risikoprofil „konservativ“ vermarktet. Dass dieses Bild spätestens seit der Ukrainekrise und den stark gestiegenen Zinsen erheblich ins Wanken geraten ist, zeigen die aktuell vorgenommenen Abwertungen. Bezüglich des UniImmo: Wohnen ZBI Fonds wurde Mitte September 2024 bereits eine erste Klage gegen eine beratende Bank wegen möglicher Falschberatung über die Risiken des Fonds eingereicht.

Was ist zu tun?

Anleger offener Immobilienfonds sollten die aktuelle Lage im Auge behalten. Bei Käufen von Immobilienfonds nach Beginn des Ukrainekrieges lohnt sich eine Überprüfung der Fonds, ob infolge verspäteter Abwertungen gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Fondsgesellschaft oder die beratenden Banken in Betracht kommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige Fonds wegen einer veränderten Immobilienbewertungs- und Zinslage teils deutliche Abwertungen vornehmen müssen oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt vornehmen mussten. Kunden mit größeren Anteilen an (offenen) Immobilienfonds sollten daher überprüfen, ob ihr Fonds von den aktuellen negativen Kursbewegungen betroffen ist. Durch spezialisierte Kanzleien kann ausgelotet werden, welche Möglichkeiten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bestehen. Zu prüfen sind insbesondere das „Basisinformationsblatt“ und die erstellte „Geeignetheitserklärung“ hinsichtlich der dortigen Angaben zum Anlageziel und zur Risikobereitschaft des jeweiligen Anlegers. Der BGH hatte zum Beispiel bereits im Jahr 2014 entschieden (Az. XI ZR 477/12), dass auch die den Fonds vermittelnden Banken ungefragt über das Schließungsrisiko offener Immobilienfonds aufklären müssen. Schon die Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, stellt für Anleger ein stetiges Liquiditätsrisiko in der Investitionsphase dar, über das informiert werden muss. Die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme stellt ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip und ein ihr grundsätzlich innewohnendes (Liquiditäts-)Risiko dar. Entsprechend können sich Banken schadensersatzpflichtig gemacht haben, wenn sie dieses Schließungsrisiko verschwiegen haben. Wurde in einen (offenen) Immobilienfonds angelegt, lohnt es, sich frühzeitig aufgrund der komplexen rechtlich- wirtschaftlichen Gemengelage um rechtlichen Beistand zu bemühen. Ohne die rechtliche Expertise im Zusammenspiel mit dem wesentlichen Blick auf die Wirtschaftlichkeit verschiedener Anlageklassen und dem Verständnis des Kapitalmarkts, kann für den geschädigten Anleger ein zufriedenstellendes Ergebnis nicht erreicht werden. Möglicherweise können Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Bewertung auch kostengünstig im Rahmen eines Kapitalanlegermusterverfahrens gegen die Fondsgesellschaft geltend gemacht werden.