Provisionsverbot und Kleinanlegerstrategie
25.04.2023
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Im Rahmen einer Kleinanlegerstrategie will die EU-Kommission den Marktzugang und den Verbraucherschutz für Kleinanleger verbessern. Wesentliche Grundlage für die dazu zu ergreifenden Maßnahmen, unter anderem ein mögliches Provisionsverbot, ist die so genannte „Kantar-Studie“, die sich auf eine Untersuchung der Rahmen-bedingungen von Finanzmärkten in 15 EU-Mitgliedsstaaten stützt.
Provisionsberatung für Kleinanleger im Regelfall kostengünstiger
Die Forderung eines Provisionsverbotes fußt unter anderem auf einem rechnerisch ermittelten Renditeverlust durch Provisionen. Dazu Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater: „Die Aussage in der Kantar-Studie, nach der ein Anlageprodukt ohne Provision mehr Rendite erwirtschaften kann als eines mit Provision, ist banal. Auch wird damit der Eindruck erweckt, Beratung sei kosten- und damit wertlos. Die Studie unterlässt es insbesondere, Renditeverluste durch alternative Vergütungsformen, beispielsweise Honorarzahlungen vergleichend den Provisionen gegenüberzustellen. So wird ein sehr einseitig negatives Bild von Provisionen gezeichnet, das förmlich zu Fehlinterpretationen einlädt. Wir haben deshalb das renommierte ifa (Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften) gebeten, auf der Grundlage von Provisions- und Honorarmodellen in Deutschland Vergleichsrechnungen anzustellen“.
Die
Berechnungen kommen zu einem recht klaren Bild. Das ifa vergleicht
dabei die Kosten des Verbrauchers bei Provisionsberatung mit denen bei
unterschiedlichen Honorarmodellen und Nettotarifen. Dabei zeigt sich
beispielsweise in einem Praxisbeispiel, dass der Verbraucher bei
monatlichen Sparraten von unter 100 € mit der Provision stets günstiger
abschneidet. Bei einer in der Altersvorsorge typischen Vertragslaufzeit
von 20 Jahren ist das Provisionsmodell sogar bis zu einem monatlichen
Beitrag von 186 Euro günstiger.
Dazu Professor Dr. Jochen Ruß,
Geschäftsführer des ifa und Mitautor der Studie:
„Aus unseren Analysen
ergibt sich eine klare Empfehlung: Gerade für Kleinanleger, die im
Rahmen der Kleinanlegerstrategie besser geschützt werden sollen, ist die
Provision meistens das günstigere Modell, wenn es um langfristige
Sparvorgänge, Kosten und Rendite geht. Ein Provisionsverbot würde
demnach dem Kleinanleger schaden und nicht nutzen.“
Plädoyer für Koexistenz von Provision und Honorar
Die Berechnungen des ifa zeigen spiegelbildlich aber auch, dass die Honorarberatung für Kunden mit höheren Anlagebeträgen und bei Verträgen mit kurzen Laufzeiten wirtschaftlich vorteilhafter sein kann. „Für den Verbraucher sind weder Provision noch Honorar immer die kostengünstigere Variante. Dies spricht klar für ein Nebeneinander der Vergütungsformen mit Wahlfreiheit.“ Dies gilt im Übrigen auch aus zahlreichen weiteren Gründen. Beispielsweise können mögliche Fehlanreize von jedem Vergütungssystem, also auch von Honoraren ausgehen. „Daher ist es nicht zwingend gewährleistet, dass alternative Vergütungsmodelle immer zu besseren Empfehlungen für den Verbraucher führen“, so Ruß.
Defizite in der Kantar-Studie
Die Kantar-Studie zeichnet auch darüber hinaus ein unvollständiges Bild, da Versicherungspro-dukte bei den relevanten Kostenvergleichen nicht berücksichtigt werden. Aber auch bei diesen werden Beratung und Service mit Provisionen vergütet, und sie spielen gerade in der Altersvorsorge der Kleinanleger eine große Rolle. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein Provisionsverbot auch hier greifen könnte. Die Kantar-Studie liefert dazu aber keinerlei Erkenntnisse.
„Aus unserer Sicht weist die Kantar-Studie viele Defizite auf. Die Verfasser benennen einige davon zwar offen. Das ändert aber nichts daran, dass diese Defizite förmlich dazu einladen, die Studie falsch zu interpretieren, das Provisionsmodell unangemessen negativ darzustellen und ein Verbot zu fordern. Zumindest für den deutschen Finanzmarkt führt dies zu einem falschen Bild. Wir können vor diesem Hintergrund nur dringend dazu raten, die Kantar-Studie nicht als Grundlage für eine Provisionsdiskussion heranzuziehen. Denn vergleichbare Ergebnisse wie die der ifa-Studie sind auch für andere große Finanzmärkte der EU mit Provisionsberatung zu erwarten. Nach unserer Auffassung sollten deshalb die Be-rechnungen und Schlussfolgerungen des ifa bedacht werden, wenn Kleinanleger in der EU besser geschützt werden sollen“, so Lach. (ml)