Provisionsdeckel ist verfassungswidrig!
12.02.2019
Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts / Foto: © AfW
„Provisionsdeckel auch europarechtlich nicht zulässig“
Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski in seinem Rechtsgutachten über die „Europarechtliche Zulässigkeit eines Provisionsdeckels in der Deutschen Lebensversicherung“ Der Jurist erläutert darin, warum „der geplante Preisdeckel gegen die in Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union garantierte Dienstleistungsfreiheit verstoßen“ würde. So seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, „dass ein solcher Preisdeckel im zwingenden Allgemeininteresse notwendig sein sollte“, meint der Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wirtschaftsrecht sowie Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zudem würde der Provisionsdeckel „gegen zwingende Allgemeininteressen verstoßen, da er in die Produktgestaltungsfreiheit der Versicherer ohne Sachgrund eingreifen würde und zugleich eine Qualitätsabwärtsspirale sowohl bei den Versicherern als auch bei den Vermittlern auslösen würde“. Schwintowski berücksichtigt im Gutachten auch die jüngste Regulierung durch die EU-Vermittlerrichtlinie IDD und kommt zu dem Ergebnis: „Die IDD enthält keinerlei Regelungen, die es rechtfertigen würden, die Vertriebsentgelte für alle Vermittlertypen bei Lebensversicherungen jeder Art der Höhe nach zu deckeln.“
Verbände maßgebende Kraft
Die beiden Gutachten wurden auf Veranlassung der Vermittler-Verbände AfW und VOTUM sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler BFV erstellt.
Die Berufsverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft werden bei den im Rahmen des geplanten LVRG 2.0 anstehenden politischen Gesprächen die klaren Ergebnisse der Rechtsgutachten einbringen. „Es wird keinen Provisionsdeckel geben! Weiter an den Plänen festzuhalten, hieße spätestens jetzt sehenden Auges den Versuch eines Verfassungsbruchs zu starten und gegen europarechtliche Vorgaben zu verstoßen“, ist sich AfW-Vorstand Norman Wirth sicher. Für VOTUM-Vorstand Martin Klein „zeigen die Gutachten auf, dass der beabsichtigte massive Eingriff in die freie Preisbildung als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Das BMF sollte nunmehr erkennen, dass es mit seiner lediglich auf Vermutungen basierenden Gesetzesinitiative auf dem Holzweg ist.“ BFV-Koordinator Erwin Hausen gibt zu bedenken: „Ein Provisionsdeckel würde in besonderem Maße die im Lager des Kunden stehenden Versicherungsmakler betreffen und gefährden. Das wäre nicht im Sinne des Verbraucherschutzes.“
Neben den juristischen Bedenken warnen die Spitzenfunktionäre von AfW, VOTUM und BFV auch vor den negativen Folgen für den Risikoschutz der Bürger, deren Altersvorsorge und die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Der vom BMF angedachte Provisionsdeckel gefährde den wichtigen Berufsstand der Versicherungsvermittler, führe zu geringerer Beratung und erschwere Verbrauchern den Zugang zur notwendigen Versicherungs- und Finanzberatung, so Wirth, Klein und Hausen in einer gemeinsamen Erklärung. (ahu)