Präsidentschaft Trumps führt zu höheren Leitzinsen
15.11.2016
Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin
Vorbei ist die Zeit, in der Deflation als die größte Gefahr für die Weltwirtschaft erschien. Mit dem unerwarteten Wahlergebnis in den USA werden höhere Staatsausgaben, niedrigere Steuern und eine stärkere Verschuldung wahrscheinlich. Dazu kommen eventuell höhere Zölle und damit ansteigende Preise für Importgüter. Alles zusammen sind das Gründe für höhere Inflationsraten. Die Fed wird ihre Leitzinsen daher stärker erhöhen als die Märkte es zurzeit erwarten.
Der Wahlkampf ließ nicht darauf schließen – aber inzwischen sehen die ersten Personalentscheidungen und Kommentare aus dem Trump-Lager so aus, als wenn wir zunächst eine klassische republikanische Politik zu erwarten hätten. Das ist verständlich, denn noch einmal im Leben ist Trump nun erstmal «Auszubildender» in seinem neuen Job. Wenn er frühzeitige Erfolge aufweisen möchte, dann ist er auf seine Partei angewiesen und muss mit Washington-Insidern kooperieren, die das politische Geschäft kennen. Schnelle und öffentlichkeitswirksame Erfolge braucht er schließlich, um seine Anhänger weiter zu euphorisieren und seine Kritiker zum Schweigen zu bringen. Wahrscheinlich wird daher eine Politik, die mit Deregulierung, niedrigeren Steuern und höheren Staatsausgaben die wirtschaftliche Stimmung und die inländische Nachfrage erhöht. In einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt bereits enger geworden ist, dürfte dies zu steigenden Inflationsraten führen. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn ein Präsident Trump durch eine immigrationsfeindlichere Politik, das Arbeitskräftereservoir noch reduziert oder über protektionistische Maßnahmen die Importpreise erhöht. Die Anleihemärkte nehmen diese Entwicklungen bereits vorweg und preisen höhere Inflationsraten ein.
Die amerikanische Notenbank hatte im Vorfeld der Wahl bereits stark angedeutet, dass sie die Leitzinsen im Dezember 2016 zu erhöhen gedenkt. Mit der sich nun abzeichnenden wirtschaftspolitischen Tendenz hat sie umso mehr Gründe, dies zu tun. In 2017 und 2018 wird sie mit weiteren Zinserhöhungen fortfahren – und somit endgültig das Ende des geldpolitisch stimulierten Wachstums einläuten. Die Finanzmärkte müssen folglich drei neue Faktoren einpreisen: (1) Einen fiskalpolitischen Nachfrageschub für die Wirtschaft, (2) höhere Inflationsraten und Zinsen, die die Bewertung der Aktienmärkte im Vergleich zu den Anleihemärkten reduziert und (3) ein Potenzialwachstum, das sich bei einer abschottenden Wirtschaft eher reduziert. Viel spricht in diesem Umfeld für einen ausgeprägteren Boom-Bust-Zyklus.
Für Europa sind dies gemischte Voraussetzungen. Höhere Renditen in den USA bedeuten meist auch höhere Rendite hierzulande – also eine Verschärfung des monetären Umfeldes. Dagegen wirkt ein stärkerer US-Dollar, der sich in der Regel bei einer dynamischeren Wirtschaftsentwicklung in den USA ergibt. Kurzfristig könnten die Exporte in die USA also sogar nochmal steigen. Mittelfristig stellen ein neuer amerikanischer Protektionismus sowie eine unberechenbarere und eventuell undiplomatischere Außenpolitik wohl die größten Gefahren für unsere offenen Volkswirtschaften dar. Auch das Risiko neuer geopolitischer Konflikte steigt in diesem Umfeld. Einen Schwenk dürften wir aber in Europa nachvollziehen – den von der geldpolitischen hin zur finanzpolitischen Stimulierung der Wirtschaft. Schließlich stehen auch in Europa einige wichtige Wahlen in der nächsten Zeit an – und da werden einige Regierungen wohl eher auf Nummer sicher gehen wollen.
Kolumne von Karsten Junius, Chefökonom J. Safra Sarasin