Politik und Geopolitik prägen das Marktgeschehen

11.10.2024

Mark Dowding. Foto: BlueBay, RBC BlueBay Asset Management.

In der vergangenen Woche traten die Wirtschaftsdaten gegenüber anderen globalen Entwicklungen in den Hintergrund. Der Nahe Osten steht weiterhin auf Messers Schneide. Israel dringt in den Südlibanon vor und denkt gleichzeitig über seine Reaktion auf den Raketenangriff aus dem Iran nach.

Unsere Analyse deutet darauf hin, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Vorfeld der US-Wahlen eine ‚Eskalationsdominanz‘ aufgebaut hat. Die israelischen Behörden sind sich bewusst, dass der Iran oder seine Verbündeten das Land kaum angreifen können. Das Abwehrsystem Iron Dome bietet einen wirksamen Schutz.

Sie sind sich auch darüber im Klaren, dass die US-Regierung im Falle eines Angriffs auf den Iran und eines iranischen Gegenangriffs gezwungen sein wird, das Land zu unterstützen. Denn ein israelisches Scheitern könnte die Chancen der demokratischen Kandidatin Kamala Harris bei der US-Wahl in einem Monat stark beeinträchtigen. Es gibt für Israel ein Zeitfenster, um den Einsatz zu erhöhen. Das wird auch durch die innenpolitische Stimmung im Lande gestützt.

Ebenso könnte die Logik diktieren, dass der Iran angesichts seiner Lage zu der Erkenntnis kommt, seine Bemühungen zum Aufbau einer eigenen nuklearen Abschreckung beschleunigen zu müssen. Wenn Israel und die USA dies erkennen, müssen sie laut Spieltheorie jetzt handeln, um es zu vermeiden. Die USA wollen sich jedoch so weit wie möglich aus dem Konflikt heraushalten. Daher bezweifeln wir, dass eine israelische Eskalation auf nukleare Einrichtungen abzielen wird. Diese liegen weit unter der Erde und ein Angriff erfordert spezielle US-Waffensysteme. Aus diesem Grund wäre eine Attacke auf die Ölraffinerien wahrscheinlicher. Eine solche würde die Wirtschaft treffen und den Iran zwingen, mehr Rohöl zu exportieren.

Abgesehen von diesen Spekulationen wird für die Weltmärkte die Entwicklung der Ölpreise entscheidend sein. In den meisten Szenarien dürften diese unter 100 US-Dollar pro Barrel bleiben, da Saudi-Arabien die iranische Produktion ersetzen kann. Nur wenn der Iran eine wirksame Blockade der Straße von Hormuz errichtet oder saudische Öleinrichtungen in der Hoffnung angreift, einen sunnitisch-schiitischen Konflikt zu entfachen, könnte es zu einer wesentlich stärkeren Bewegung des Ölpreises kommen. Allerdings ist vorstellbar, dass ein solches Szenario nur von kurzer Dauer wäre, da es den Untergang des Regimes in Teheran beschleunigen könnte.

In den USA hat sich die Aufmerksamkeit auf den Hurrikan Milton konzentriert, der nach dem Hurrikan Helene vor wenigen Wochen weite Teile Floridas verwüstet hat. Der Wiederaufbau kann zu einem Nettoanstieg der Wirtschaftstätigkeit führen und einen Inflationsimpuls auslösen, wenn es zu Engpässen bei den benötigten Materialien oder Arbeitskräften kommt.

Bezüglich der Teuerung herrscht Erleichterung darüber, dass ein drohender Streik der Hafenarbeiter abgewendet werden konnte und die Lage dadurch nicht noch verschärft wird. Der Arbeitsmarkt ist jedoch nach wie vor merklich angespannt.

Nachdem die Marktteilnehmer die jüngsten Arbeitsmarkt- und Verbraucherpreise verarbeitet haben, werden im weiteren Monatsverlauf weniger wichtige Daten veröffentlicht. Politik und Geopolitik scheinen kurzfristig die Haupttreiber des Marktgeschehens zu sein. Wir neigen zu der Annahme, dass der republikanische Kandidat Donald Trump die US-Wahl im nächsten Monat gewinnen wird. Sicherlich wirken die Entwicklungen im Nahen Osten und auch die jüngsten Hurrikan-Verwüstungen zu seinen Gunsten. Die Regierung unter Joe Biden wurde für eine enttäuschende Reaktion auf den Hurrikan Helene kritisiert. Allerdings ist das Rennen noch zu eng, um eine abschließende Investitionsentscheidung zu treffen.“

Marktkommentar von Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management.